© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/13 / 07. Juni 2013

Unverzichtbar
Rüstung: Die Bundeswehr braucht Drohnen, denn sie verringern eigene Verluste
Hans Brandlberger

Der Verteidigungsminister hat das Rüstungsvorhaben „Euro Hawk“ unter skandalträchtigen Umständen gestoppt und die Entscheidung, ob die Bundeswehr sich auch Kampfdrohnen zulegen sollte, bis zum Beginn der neuen Legislaturperiode vertagt. Im Raum steht noch dazu die Frage, ob Deutschland seinen angekündigten Beitrag zum Nato-Prestigeprojekt „Alliance Ground Surveillance“ (AGS) leisten kann. In der Tat sollte, bevor es zu größeren Ausgaben kommt, gelegentlich geprüft werden, ob bei den unbemannten Luftfahrzeugen, die man einbringen möchte, nicht ähnliche Zulassungsprobleme wie beim „Euro Hawk“ auftreten, basieren sie doch auf dem gleichen Typ amerikanischen Ursprungs.

Das Verteidigungsministerium ist nicht zu beneiden. Es hat erkannt, daß die Bundeswehr, was Aufklärung und punktgenaue, weit reichende Waffenwirkung betrifft, nicht zeitgemäß ausgestattet ist. Es möchte – im Bürokratendeutsch des Bendlerblocks gesprochen – diese „Fähigkeitslücken“ gerne schließen. Dabei stößt es auf nervenaufreibende Widerstände. Einige liegen in der Natur der Sache. Unbemannte Luftfahrzeuge sind komplexe Systeme. Mit ihnen wird technologisch und auch rechtlich Neuland betreten.

Das Risiko, auf Probleme zu stoßen, die anfänglich nicht vorherzusehen waren, ist hoch und muß wohl oder übel in Kauf genommen werden. Der Beschaffungsprozeß ist zäh. Was Militärs heute fordern, kann ihnen im Regelfall nicht schnell zur Verfügung gestellt werden. Mit der Bundeswehrreform wurden zwar auch hier die Verfahren vereinfacht und gestrafft. Bis Großvorhaben am Ziel sind, vergehen aber weiter Jahre. Dies gilt auch für unbemannte Systeme, selbst wenn man wie beim Euro Hawk auf zum Teil schon entwickelte Technologien zurückgreift.

Vor allem aber stößt das Verteidigungsministerium mit seinen Plänen für neue Drohnen auf breiten und vehementen Widerstand der Öffentlichkeit.

In seinem Zentrum steht zwar der übliche Kreis von Verdächtigen aus „antimilitaristischen“ Netzwerken, linken Parteien, Gewerkschaften und Kirchen, die seit Monaten eine aggressive Kampagne gegen die Bundeswehr als Einsatzarmee sowie gegen die Rüstungsindustrie betreiben. Mit Hilfe der meisten Leitmedien bis hin zum Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen haben sie allerdings die Meinungsführerschaft auf diesem Gebiet erobert. Drohnen befeuern ihre Kampagne, da sie in den Köpfen der Bürger Bilder wachrufen, die ihnen aus den einschlägigen Filmen bekannt sind – vom Überwachungsstaat, dem nichts entgeht, über außer Kontrolle geratene Todesmaschinen bis hin zur Verschwörung von Politik, Nachrichtendiensten, Militär und Industrie. Suggeriert wird ein Quantensprung in Militärtechnik und Kriegführung, dessen Risiken nicht mehr beherrschbar seien. Die profanen Tatsachen zeigen jedoch ein anderes Bild.

Drohnen gehören längst zum Arsenal der Bundeswehr, ohne daß dies die Öffentlichkeit des Schlafs beraubt hätte. Heer und Luftwaffe betreiben in Afghanistan mit Erfolg mehrere Systeme, die hinsichtlich Größe, Sensorik, Stehzeit in der Luft und Reichweite unterschiedlich ausgelegt sind. Mit ihren Aufklärungsergebnissen helfen sie, ein zuverlässiges Lagebild zu erstellen und Bedrohungen frühzeitig zu erkennen. Zwar sind sie selbst nicht bewaffnet, doch liefern sie auch Daten über mögliche Ziele, die man aus der Distanz beschießen kann. Drohnen sind daher heute ein nützliches, wenn nicht unverzichtbares Mittel, um auch bei einem verhältnismäßig geringen Kräfteansatz dank eigener Informationsüberlegenheit auf einem Schauplatz das Heft in der Hand zu behalten. Im Vergleich zu ihren bemannten Alternativen sind sie nicht nur kostengünstiger und flexibler. Vor allem lassen sie sich auch bei schwierigen Missionen ohne die Gefahr eigener Verluste einsetzen.

Drohnen zu bewaffnen ist, wie Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zu Recht betont, ethisch keine neue Herausforderung, solange die Systeme nicht autonom Ziele bekämpfen, sondern hierbei aus der Ferne gesteuert werden. Auch der Pilot eines Kampfflugzeuges ist kaum imstande, sich selbst ein Bild davon zu verschaffen, was am Boden geschieht. Er setzt seine Waffen letztendlich auf der Grundlage eines virtuellen Lagebildes ein. Nicht anders ergeht es jenen, die aus der Ferne über den Beschuß durch Artillerie oder mit einem Marschflugkörper entscheiden. Ihnen stehen keine besseren Erkenntnisse zur Verfügung als dem Operator in der Bodenstation einer Kampfdrohne. Durch eine solche läßt sich jedoch wichtige Zeit gewinnen, da das System, das ein Ziel aufklärt, dieses auch sogleich bekämpfen kann. Für die Bundeswehr böte dies in der sogenannten asymmetrischen Kriegführung, mit der sie heute in Afghanistan zu tun hat und die auch so manchen ihrer zukünftigen Einsätze prägen dürfte, einen entscheidenden Vorteil. Der Gegner könnte sich nach Attacken nicht mehr in seinen Rückzugsgebieten in Sicherheit wiegen. Auch dort wäre es möglich, ihn aufzuklären und zu bekämpfen, ohne Spezialkräfte bemühen zu müssen.

Die Inhumanität des Krieges wird durch unbemannte Systeme, selbst wenn sie bewaffnet sind, nicht weiter gesteigert. Diese bieten aber neue Möglichkeiten, Verluste gering zu halten und erfolgreich im Einsatz zu bestehen. Diese Möglichkeiten müssen auch der Bundeswehr ungeschmälert zur Verfügung stehen.

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