© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/13 / 07. Juni 2013

Unter Kuratel des Wächterrates
Iran: Vor der Präsidentschaftswahl sorgt der Ausschluß bekannter Politiker für Irritationen / Dispute zwischen Pragmatikern und Hardlinern
Günther Deschner

Iran wählt am 14. Juni einen neuen Präsidenten – den Nachfolger für den noch amtierenden Mahmud Ahmadinedschad, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf.

Fast 700 Bewerber, darunter dreißig Frauen, hatten sich in die Kandidatenliste eintragen lassen. Doch – entsprechend der Verfassung der Islamischen Republik – war die Liste noch keine Auswahl für die Wähler, sondern die Vorlage für den „Wächterrat“, eines der höchsten iranischen Staatsgremien, hinter dem der „Revolutionsführer“ Großajatollah Ali Khamenei steht.

Die zur Hälfte von dem 73jährigen persönlich bestimmten „Wächter“ (sechs Geistliche, sechs Juristen) sortierten aus der lange Liste mit eisernem Besen aus. Am 23. Mai gab der Rat bekannt, daß von allen Anwärtern nur acht als Präsidentschaftskandidaten antreten dürfen – darunter selbstverständlich keine Frau.

Unter den politischen Schwergewichten der bevorstehenden Präsidentenkür wurden – zweifellos entsprach dies dem Willen Khameneis – die beiden „populärsten“ ausgeschaltet. Zum einen der gemäßigte frühere Staatschef Akbar Hashemi Rafsandschani, mit dessen Kandidatur viele Iraner Hoffnungen auf einen Wandel im politischen Machtgefüge verbanden.

Als Mitbegründer der Islamischen Republik und Mitstreiter Khomeinis, war der 78jährige schon zweimal Präsident: Jetzt war er den Juroren „zu alt“. Der Ausschluß Rafsandschanis könnte sich bitter rächen: Seine Klientel, der iranische Mittelstand hätte ihn gewählt – und wird nun womöglich mit Wahlenthaltung reagieren.

Ausgeschlossen wurde auch sein Gegenspieler, Esfandiar Rahim Mashaie, ein enger Gefolgsmann Ahmadinedschads und dessen Schwiegersohn, den der scheidende Präsident mit aller Macht als seinen Nachfolger zu plazieren versuchte. Mashaie, war bei den Klerikern zur Haßfigur geworden weil er in Interviews und Reden die iranische Nation über den Islam gestellt hatte.

Ohnehin ist Irans Wächterrat bei der Kandidatenauswahl kein Risiko eingegangen. Alle Zugelassenen gelten ausnahmslos als zuverlässige Gefolgsleute des „obersten Führers“. Die Wahl unter ihnen bietet nur noch wenig Alternativen, einige gelten sogar als bloße Zählkandidaten – doch einige sind durchaus chancenreich und zeigen auch eigenständiges Profil.

Beobachtern vor Ort gilt Saeed Dschalili, mit 47 Jahren der jüngste Kandidat, ein Vertreter des Obersten Führers Khamenei und Chef-Atomunterhändler, als aussichtsreichster Kandidat der „Hardliner“. Der islamischen Kaderschmiede der Imam-Sadegh-Universität entstammend, gilt Dschalili als absolut linientreu und radikal.

Kritiker werfen ihm vor, er stecke ideologisch noch in der „Pubertät“ der Anfangsjahre der Islamischen Revolution. „Wir wollen die Wurzeln des zionistischen Regimes austrocknen“, lautete denn auch sein erster Wahlkampfslogan, womit er im Lager der Ultrareligiösen als auch bei Anhängern Ahmadinedschads nach Stimmen fischt.

Andere Kandidaten haben sich bis jetzt mit anti-israelischer und anti-amerikanischer Rhetorik zurückgehalten und sogar die Tiraden des scheidenden Ahmadinedschad kritisiert.

Ganz anders ist der Auftritt Ali Akbar Velayatis (67), eines weiteren Favoriten. Der „Langzeit-Außenminister“ (1981–1997), der vor der Revolution Medizin studiert und als Kinderarzt in den USA gearbeitet hat, kennt den „Westen“ und die Weltpolitik. Heute ist er außenpolitischer Berater Khameneis – und dennoch auch im Lager der Opposition „vermittelbar“.

Für eine Überraschung könnte ein „pragmatischer Technokrat“ gut sein, seit acht Jahren erfolgreicher und beliebter Oberbürgermeister der Achtmillionenmetropole Teheran. Mohammed-Bagher Ghalibaf hat die Hauptstadt entrümpelt und modernisiert – mit neuen Straßen, Abwasserkanälen, öffentlichem Nahverkehr und Parks. „Nur weil wir eine islamische Revolution hatten, heißt das nicht, daß wir nicht von anderen Teilen der Welt lernen könnten“, sagte Ghalibaf in einem Interview mit dem US-Magazin Time.

Immer wieder griff der populäre Pragmatiker seinen Präsidenten an, warf ihm Mißwirtschaft und unnötige Provokationen des Auslands vor. Insbesondere durch seine Holocaust-Bemerkung, die unterstrich, daß „Ahmadinedschads Position in dieser Sache“ nicht „den Interessen des Iran“ diene, eine „indirekte Hilfestellung für Israel“ sei und somit dessen „größter außenpolitischer Fehltritt“.

Anders als der meist ungepflegt wirkende Noch-Amtsinhaber zeigt sich der kurdischstämmige frühere Luftwaffenpilot und Doktor der politischen Geographie Ghalibaf zumeist in modischen Anzügen. Zur Eröffnung eines künstlich angelegten Sees fuhr der 51jährige kürzlich auf dem Jet-Ski vor. Für ihn gibt es „zwischen Moderne und Islamischer Republik keinen unüberbrückbaren Widerspruch“.

Nicht alle sehen die Situation, den Riß, der durch die iranische Gesellschaft geht, so entspannt. Vor allem der Ton zwischen dem Lager Ahmadinedschads und allen anderen wird immer aggressiver, je näher die Wahlen rücken.

Ende April hatte der Präsident Ahmadeninedschad sogar gedroht, „geheime Unterlagen zu veröffentlichen“, die dem erzreligiösen Establishment, das sich gegen ihn gewandt hatte, „enorm schaden würden“. Die Antwort kam vom Chef der Revolutionsgarden, Mohammad Dschaafari, der jedem „mit schlimmsten Konsequenzen“ drohte, der „widersinnige Behauptungen zum eigenen Vorteil“ aufstelle.

Foto: Eine Anhängerin von Saeed Dschalili: Der „Hardliner“ gilt als einer der aussichtsreichsten Bewerber

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