© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/13 / 07. Juni 2013

Zeitschriftenkritik: Opus
Identität als unverwechselbarer Kern
Werner Olles

Über Identität wird inzwischen nicht nur in konservativen und rechtsintellektuellen Zirkeln diskutiert. Auch Medien aus dem „Mainstream“ befassen sich mit diesem Thema und suchen nach Begriffserklärungen, die im Sinne der politischen Korrektheit möglichst wenig Schaden anrichten. Ob jedoch allein die Beschäftigung mit dieser Thematik bereits ein Zeichen dafür ist, daß sich die kulturell-hegemonialen Gewichte zugunsten identitärer Vorstellungen verschieben, ist mehr als zweifelhaft. Dennoch sind die Debatten, die jetzt auch außerhalb konservativer Kreise geführt werden, durchaus interessant und verdienen es, daß man sich mit ihnen auseinandersetzt.

So geht Opus, das zweimonatlich erscheinende Kulturmagazin für das Saarland, Rheinland-Pfalz, Lothringen und Luxemburg, in seiner aktuellen Ausgabe (Nr. 37, Mai/Juni 2013) im Schwerpunktthema der Frage nach, was Identität überhaupt ist und was die Identität von Regionen und einzelnen Nationen ausmacht. Sind es Sprache, Kultur, Religion, Politik, Ethos und Arbeit oder existieren noch weitere Prägungen, die für die eigene Identität bedeutend sind?

Die knifflige Frage nach dem unverwechselbaren Kern des Menschen, der letztlich die Identität ausmacht, hat hierbei großes Gewicht. Denn Identitäten gibt es viele. So können die nationale Identität eines Deutschen, die kulturelle Identität eines Mitteleuropäers, die soziale eines Angehörigen der Mittelschicht und die familiäre eines Vaters, Sohnes und Bruders Merkmale einer einzigen Person sein und ergeben doch nur in der Summe die unverwechselbare Persönlichkeit. Man erfährt sie gleichsam wie von selbst. Erst wenn dies vernünftig funktioniert, kommen die anderen ins Spiel. Im philosophischen Kontext haben besonders Fichte und Hegel immer wieder auf diese Relevanz der Selbstbestätigung und Selbstvergewisserung hingewiesen.

Bekannt ist auch, daß gleiche Präferenzen Identität schaffen. Eine der ersten Fragen, die junge Leute heute stellen, ist die nach dem Musikgeschmack. Dabei geht es unausgesprochen auch um die Frage eines bestimmten Lebensstils und der Selbstbestätigung durch die Begegnung mit Gleichgesinnten. Auf kulturelle und nationale Identitäten läßt sich dies jedoch nicht ohne weiteres übertragen, beharrt doch jede Nation darauf, ihre „eigene“ Musik allein richtig interpretieren zu können. „Polen schütteln den Kopf über den Chopin russischer Pianisten, Russen meinen, nur sie könnten Tschaikowsky korrekt spielen, Deutsche glauben dasselbe von Bach und Österreicher von Johann Strauß“, schreibt Hans Bünte in seinem Essay „Unbeantwortete Fragen zur Identität durch Musik“. Doch inzwischen seien bei den Berliner Philharmonikern 25 Nationen vertreten, von einem deutschen Orchester mit „typisch deutschem“ Orchesterklang könne keine Rede mehr sein. Vielmehr demonstrierten sie den globalisierten, perfekten, aber nicht mehr unverwechselbaren Klang, den lediglich die Wiener Philharmoniker einstweilen noch zu bewahren scheinen.

Kontakt: Verlag Saarkultur. Saaruferstr. 16, 66117 Saarbrücken. Das Einzelheft kostet 7,50 Euro, ein Jahresabo 45 Euro.

www.opus-kulturmagazin.de

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