© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/13 / 07. Juni 2013

Frisch gepresst

Westpreußen. Vom Mittelalter bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges spannt sich der Bogen der Beiträge der neuen Ausgabe des Westpreußen-Jahrbuchs. Hans-Jürgen Schuch läßt die Bevölkerungsentwicklung Elbings von der Gründung 1237 bis 1945 Revue passieren, Hans Joachim Borchert berichtet über das „Mönchtum“ der Ordensritter und Wolfgang Lippky präsentiert ein Dokument über eine konfessionell motivierte „Vertreibung“ aus dem Jahr 1739. Besondere Aufmerksamkeit verdienen wieder die zeithistorischen Studien. Dazu darf man auch schon Rainer Zacharias’ Arbeit über den 1923 verstorbenen Wiedererbauer der Marienburg, Conrad Steinbrecht, rechnen, da sein Lebenswerk in den Kontext des „Kampfes um die Ostmark“ gestellt wird. Habe doch Stein-brechts Restauration den deutschen Patriotismus beleben und den „Wehrwillen einer Nation“ stärken wollen. Tendenzen, die den Meister überdauert hätten, denn auch unter polnischer Regie werde die Marienburg mehr als „Ritterfestung“ denn als Lebensraum einer Glaubensgemeinschaft und spirituelles Zentrum des Preußenlandes konturiert. Was bei Horst Gerlach als Ergänzung zur Biographie des in Kulm geborenen Panzergenerals Heinz Guderian anhebt, weitet sich aus zu einer den polnischen Schuldanteil am Kriegsausbruch akzentuierenden Betrachtung zur Vorgeschichte des 1. September 1939. (ob)

Hans-Jürgen Kämpfert (Hrsg.): Westpreußen-Jahrbuch. Aus dem Land an der unteren Weichsel, Band 63. Westpreußen Verlag, Münster 2013, broschiert, 196 Seiten, Abbildungen, 16,50 Euro

 

Reformation.Wie sieht eine spezifisch lutherische Erinnerungskultur aus? Dieser Frage geht der Leipziger Literaturwissenschaftler Stefan Dornheim in seiner nun in Buchform vorliegenden quellengesättigten Dissertation nach. Dabei beleuchtet er die für unsere Geistesgeschichte und das nationale Gedächtnis tragende Rolle des evangelischen Pastors als „Spezialist des Gedenkens“ in der Frühen Neuzeit. Ebenso war er lange Zeit für breite Schichten greifbare Identifikationsfigur in puncto Pflichtenethik und Bildungsfleiß. Die freilich in seiner Vorbildwirkung lange überhöhte patriarchalische Hausordnung des Pfarrhauses, die zudem den Pastor „stets in äußerster Staatsnähe glaubte“, beeinflußte immerhin bis in die jüngste Zeit die Gesellschaft protestantischer Regionen. (tb)

Stefan Dornheim: Der Pfarrer als Arbeiter am Gedächtnis. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2013, gebunden, 323 Seiten, Abbildungen, 48 Euro

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