© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/13 / 14. Juni 2013

EU-Kommission und EZB empfehlen Euro-Beitritt Lettlands
Unterschlupf
Bruno Bandulet

Erst die Griechenland-Hilfe, dann die Rettungsfonds EFSF und ESM sowie das Zypern-Paket. Und ohne die Staatsanleihenaufkaufprogramme der Europäischen Zentralbank (EZB) hätte „die Euro-Zone kurz vor dem unkontrollierten Zerfall“ gestanden, plauderte jetzt EZB-Direktor Jörg Asmussen aus.

Dennoch will Lettland 2014 den Euro einführen. Realwirtschaftlich liegt in dem kleinen Baltenstaat vieles im argen. Im formalen Vergleich zu den südeuropäischen Krisenländern schneidet das künftig 18. Euro-Mitglied jedoch gut ab. Die Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrags werden erfüllt: Die Staatsschuldenquote liegt mit 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nur halb so hoch wie die deutsche. In der großen Krise nach 2008 haben die Letten vorgemacht, wie sich die Finanzen mit brutalen Sparmaßnahmen sanieren lassen.

Es grenzt aber ans Lächerliche, wenn der EU-Währungskommissar Olli Rehn den Beitritt als einen Beleg dafür nimmt, „daß diejenigen irrten, die den Zerfall des Euro-Raumes vorhersagten“. Daß die lettische Regierung Unterschlupf im Euro sucht, obwohl nur ein Drittel der Bevölkerung die Einheitswährung haben will, überrascht nicht. Konfrontiert mit dem übermächtigen, oft unfreundlichen Nachbarn Rußland und einer großen russischen Minderheit, die die Hälfte der Einwohner Rigas stellt, wird nach Nato und EU in weiterer Integration Schutz gesucht. Die Solidität der Euro-Zone läßt sich nicht daran messen, ob sie ein Mitglied mehr oder weniger hat.

Lettland wird das ärmste Land in der Euro-Zone sein. Die ehemalige Sowjetrepublik ist wirtschaftlich bedeutungslos, und das gilt auch für Litauen, den Kandidaten für 2015. Daß wirtschaftlich erfolgreiche Länder wie Schweden, Dänemark oder die Tschechei keinen Wert auf den Euro legen, spricht Bände. Andererseits muß man fragen: Wenn schon Griechenland und Zypern (wie Lettland ein Parkplatz für russische Oli­garchengelder) mit dabei sind, warum nicht auch Lettland? Die verbliebene Kraft des Euro liegt nicht an der Peripherie, sondern im Zentrum.

Ob sich die Letten mit der Aufgabe ihrer Währungssouveränität einen Gefallen tun, muß sich erst noch herausstellen. Wenn die Preise steigen, verliert das Land an Wettbewerbsfähigkeit. Sobald die nächste Wirtschaftskrise ausbricht, fehlt das Ventil der Abwertung. Die Erfahrung zeigt, daß Entwicklungsländer – nichts anderes ist Lettland – mit einer relativ teuren Währung, die sie selbst nicht kontrollieren, auf Dauer schlecht zurechtkommen.

Auch ein anderer Mißstand fällt erneut auf: Ein Leichtgewicht wie Malta oder Lettland hat im EZB-Rat dasselbe Stimmgewicht wie Deutschland. Dringend erforderlich wäre eine Änderung der Verträge und eine Stimmengewichtung gemäß Anteil am Kapital der EZB. Dazu schweigt die Bundesregierung – noch eine Reform, die sie sich nicht zutraut.

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