© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/13 / 14. Juni 2013

Die USA, Islamisten und eine Lüge
Vor hundert Jahren schlugen US-Truppen den Moro-Aufstand auf den Philippinen nieder
Wolfgang Kaufmann

Am 15. Juni 1913 besiegten amerikanisch-philippinische Truppen unter dem Kommando von Brigadegeneral John Joseph Pershing (1860–1948) die letzten islamischen Aufständischen auf der Insel Jolo. Diese sogenannten Moros (vom spanischen Wort für Mauren) hatten seit 1899 gegen die US-Präsenz, aber auch das einheimische Christentum sowie das Verbot der Sklaverei gekämpft, wobei die Rebellion seit Anfang 1913 praktisch nur noch von den Anhängern des Tausug-Häuptlings Naquib Amil getragen wurde, welche im Gegensatz zu den anderen philippinischen Moslems sämtliche Friedensangebote der Amerikaner ablehnten. Diese 500 Fanatiker, deren Erben sich heute unter anderem in der Moro Islamic Liberation Front (MILF) finden, verschanzten sich unter Mitnahme ihrer Frauen und Kinder sowie zahlreicher gekidnappter Zivilisten auf den Hängen des Vulkans Bud Bagsak und erwarteten dort den Märtyrertod.

Pershing erreichte nach zähen Verhandlungen noch den Abzug der Nichtkombattanten, die als menschliche Schutzschilde fungieren sollten, und ließ erst dann die Befestigungen der Moros mit Artillerie beschießen und stürmen, woraufhin der überwiegende Teil der Rebellen starb, darunter auch Amil. Dennoch behauptete der amerikanische Installateur John McLean, der Jolo nachweislich schon zehn Tage vor der Schlacht verlassen hatte, in einem Interview mit mehreren Zeitungen in San Francisco am 30. Juli 1913, daß die US-Soldaten auf Pershings Befehl hin am Bud Bagsak 196 Frauen und 340 Kinder „abgeschlachtet“ hätten.

Es folgte eine propagandistische Verwertung dieser Gerüchte: Sozialistische Blätter wie die International Socialist Review prangerten die vermeintliche „Schandtat“ über Monate hinweg wortreich an, obwohl McLean bereits am 2. August in aller Öffentlichkeit als Schwindler entlarvt wurde. Ja, mehr noch: Statt unstrittige Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen, blähten die Epigonen des publicitysüchtigen Klempners die Zahl der toten Zivilisten seitdem immer weiter auf. So wird derzeit oft schon von mehr als 2.000 Opfern fabuliert – natürlich ohne jede Quellenangabe.

Das „Massaker“ vom Bud Bagsak ist aber nicht die einzige Infamie, die auf Pershings Konto gehen soll. Ebenso finden sich im Internet unzählige „Tatsachen“-Berichte über die angebliche Erschießung von 49 Moro-Kriegern. Sie soll auf Befehl des Generals mit demonstrativ in Schweineblut getauchten Kugeln ausgeführt worden sein, damit die Todeskandidaten in der bedrückenden Gewißheit stürben, wegen der „Kontamination“ ihrer Körper nicht ins Paradies, sondern in die Hölle zu kommen.

Abgesehen davon, daß weder Moslems eine derartige Vorstellungen haben noch der Koran dieses auslegen würde, wäre Pershing wohl kaum auf eine solche plump-brutale Strategie der Abschreckung verfallen. Vielmehr fuhr der General, der ab dem 11. November 1909 als dritter Militärgouverneur der gesamten Moro-Region fungierte, im Gegensatz zu seinem tatsächlich rücksichtslos agierenden Vorgänger Leonard Wood einen ausgesprochen sanften Kurs, bei dem Gewalt nur die allerletzte Option war.

Im Normalfall setzte Pershing, der die Moros schon seit 1903 kannte und auch deren Sprache beherrschte, sehr viel lieber auf Verhandlungen mit den Häuptlingen beziehungsweise religiösen Würdenträgern und die sukzessive freiwillige Entwaffnung der Rebellen. Als Beleg für dieses vorsichtige Vorgehen kann die zweite „Schlacht“ von Bud Dajo im Dezember 1911 dienen, in der gerade einmal zwölf Moros fielen, während sie im ersten Treffen vom März 1906 gegen die Truppen Woods an die tausend Tote zu beklagen hatten, darunter tatsächlich auch nicht wenige Frauen und Kinder.

Ein letztes Schlaglicht auf das zumeist in falschen Farben gezeichnete Wirken Pershings wirft zudem noch folgender Vorfall: Der General, der am Bud Bagsak in vorderster Linie gekämpft hatte, sollte dafür die höchste Tapferkeitsauszeichnung der USA, die Medal of Honor, bekommen. Er lehnte die Annahme des Ordens aber ganz dezidiert schriftlich ab: Seine persönliche Anwesenheit im Kugelhagel sei schlicht und einfach „notwendig“ gewesen.

www.morolandhistory.com

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