© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/13 / 28. Juni 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ohne Identität in den Kampf
Henning Hoffgaard

Gleich zu Beginn ein Seitenhieb auf den Chef. „Nein, die Soldaten haben kein übertriebenes Verlangen nach Anerkennung“, sagt der Chef des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch. Die Äußerungen von Verteidigungsminister Thomas de Maizière, der seinen Soldaten vorwarf, sie gierten nach Anerkennung, haben die Bundeswehrsoldaten nicht vergessen.

Knapp 50 Zuhörer, darunter auch einige Generäle, hat es am Dienstag in das Amt des Wehrbeauftragten gezogen. Hellmut Königshaus (FDP) ist erschienen, um das Buch „Soldatentum – Auf der Suche nach Identität und Berufung der Bundeswehr heute“ vorzustellen. Den Herausgebern Martin Böcker, Larsen Kempf und Felix Springer war es gelungen, bekannte Autoren aus Wissenschaft und Journalismus zur Mitarbeit zu bewegen. Neben der Publizistin Cora Stephan auch Michael Wolffsohn und Carlo Masala.

Am Dienstag ging es allerdings vor allem um eines: Wie geht die Gesellschaft mit ihren Soldaten um? „Es gibt einige Viertel, in denen man als Uniformträger beschimpft wird“, kritisiert Masala, Professor an der Bundeswehruniversität München. Daß die Armee heute nicht mehr zur Territorialverteidigung diene, sondern „Einsatzstreitkräfte“ seien, sei bei vielen noch nicht angekommen. Masala redet Klartext. „Viele Fragen der Sicherheitspolitik sind mit Tabus belegt.“ Ein Beispiel dafür sei der Umgang mit den drei Herausgebern. Die drei jungen Offiziere hatten 2011 für Aufsehen gesorgt, nachdem sie in dem von ihnen geleiteten Studentenmagazin Campus die Rolle der Frau in der Bundeswehr hinterfragt hatten. Masala stellte sich hinter die drei und kritisierte einen von der Universitätsleitung erlassenen „Maulkorberlaß“ scharf.

Kempf bringt die Motivation für das Buchprojekt auf den Punkt: „Wer nicht redet, wird nicht gehört.“ Wie denn die neue Identität der Soldaten aussehen könne, bleibt unklar. Einig sind sich alle jedoch, daß die Bundesregierung in der Vergangenheit schwere Fehler in der Öffentlichkeitsarbeit gemacht habe. „Die Politik verkauft die Bundeswehr als THW und Brunnenbohrer“, moniert Masala.

Auch Kirsch fordert mehr Einsatz von der Politik. Die sei es ja schließlich auch, die die Soldaten in den Einsatz schicke und den Deutschen dabei zu wenig erkläre. Von „Wehleidigkeit“ will Königshaus jedoch nichts wissen. Die Soldaten beschwerten sich angesichts der Zustände und der langen Trennung von ihren Familien erstaunlich wenig. Nur, wofür sollen sie eigentlich kämpfen? Für offene Handelswege und wirtschaftliche Interessen? Oder doch für „Recht, Freiheit und Volk“, wie Felix Springer sagt? Darauf hat die Regierung noch keine Antwort gefunden.

Martin Böcker, Larsen Kempf, Felix Springer (Hrsg.): Soldatentum. Auf der Suche nach Identität und Berufung der Bundeswehr heute. Olzog, 2013, gebunden, 224 Seiten, 29,90 Euro

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