© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/13 / 28. Juni 2013

„Spione spionieren nun einmal“
Großbritannien: Während das Abhörprogramm „Tempora“ innenpolitisch kaum Brisanz entfacht, sorgt es im Ausland für Unmut
Josef Hämmerling

Wir bewegen uns im Rahmen der Gesetze“, „Niemand braucht Angst vor Mißbrauch zu haben“. So oder ähnlich verteidigen in Großbritannien Politiker das Abhörprogramm „Tempora“. Wie der frühere NSA-Mitarbeiter Edward Snowden enthüllte, hat der britische Geheimdienst auf der ganzen Telekommunikationsebene noch mehr Daten abgefangen als sein US-Pendant NSA (JF 26/13). Im Rahmen des Tempora-Programms wurden nach den vom britischen Guardian veröffentlichten Unterlagen rund 95 Prozent aller Daten abgefangen, indem die im Meer verlegten Kabel direkt angezapft wurden.

Der britische Außenminister William Hague verteidigte das Programm, seine gesetzestreuen Landsleute hätten nichts zu befürchten. Dieses Programm diene nur dazu, terroristische Aktivitäten aufzuspüren und Anschläge zu verhindern. Genau dies sei bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London gelungen. Hague betonte, Großbritannien habe „weltweit eines der sichersten Systeme mit umfassenden demokratischen Verantwortlichkeiten“. Um an den Inhalt der Daten zu gelangen, sei die Zustimmung von ihm oder einem anderen Minister nötig.

Bürgerrechtler indes werfen der Regierung vor, an den Gesetzesvorgaben vorbei, unrechtmäßig an Informationen gekommen zu sein. Nach Angaben der Direktorin der Bürgerrechtsbewegung Liberty, Shami Chakrabarti, gelten diese Schutzrechte nur für in Großbritannien ansässige Personen, aber nicht für die internationale Kommunikation. Nick Pickles von der Organisation Big Brother befürchtet sogar eine zentrale Datenbank aller Internetdaten.

Insgesamt hält sich die öffentliche Kritik in Großbritannien in Grenzen. „Spione spionieren nun einmal“, meinte der konservative Abgeordnete Ben Wallace in der Times. Auch der frühere konservative Außenminister Malcolm Rifkind, nunmehr Vorsitzender des Geheimdienst- und Sicherheitsausschusses, wiegelte ab. Man werde sich zwar damit befassen, aber es sei „absurd anzunehmen, die Geheimdienste wühlten sich durch Milliarden von E-Mails“.

Außenpolitisch erscheint der Schaden indes größer (siehe Kommentar Seite 2). Wurde doch inzwischen bekannt, daß die britischen Geheimdienste bereits beim G20-Treffen 2009 in London Delegierte aus der Türkei und Südafrika überwachten. Dies hatte zu scharfen Protesten beider Länder geführt. Schwerwiegender dürfte sein, daß die gesamte Telekommunikation Chinas Ziel von Angriffen amerikanischer und britischer Geheimdienste war. Bestätigt wurde dies von der Sprecherin des chinesischen Außenministeriums Hua Chunying, die zudem erklärte, ihre Regierung habe bereits deswegen interveniert und verstehe das Vorgehen als eine schwerwiegende Verletzung internationalen Rechts.

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