© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/13 / 28. Juni 2013

Wie die Zähmung Draghis gelingen kann
Euro-Krise: Der Paragraph 42 des Bundesbankgesetzes ermöglicht die Trennung von Zinssenkung und hochinflatorischer Defizitfinanzierung des Staates
Wilhelm Hankel

Zentralbanken können nicht die Bilanzen der privaten Haushalte und der Finanzinstitute sanieren. Sie können auch nicht die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sicherstellen“, schreibt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem aktuellen Jahresbericht. Die „anhaltend niedrigen Zinsen und unkonventionellen Maßnahmen“ hätten dem Privatsektor und den Regierungen ermöglicht, den Schuldenabbau zu verschieben und Defizite zu finanzieren. „Weitere außerordentliche geldpolitische Impulse“ würden zu einer Gefahr für die Preis-, Finanz- und gesamtwirtschaftliche Stabilität.

Eine der umstrittensten „unkonventionellen Maßnahmen“ sind die Outright Monetary Transactions (OMT) der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese Offenmarktgeschäfte wurden bereits im August vergangenen Jahres von EZB-Präsident Mario Draghi angekündigt und am 6. September 2012 vom EZB-Rat bestätigt. Die angekündigten unbeschränkten Ankäufe von Euro-Staatsanleihen an den Sekundärmärkten durch die EZB sollten damals vor allem die gestiegenen Marktzinsen für italienische und spanische Papiere absenken und so drohende Staatsinsolvenzen verhindern.

Doch nicht nur die BIZ sieht die OMT kritisch. Die Thematik war auch der brisanteste Teil der jüngsten Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht zu den Klagen gegen die Euro-Rettungsmaßnahmen. Draghi hatte die OMT geldpolitisch begründet. Doch diese eher defensive Zielsetzung, so schien es dem Gericht, wolle nicht so recht zu der eher auf Allmachtsphantasien des EZB-Präsidenten schließen lassenden Einschüchterungsrhetorik passen. „Die EZB wird alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten“, sagte Draghi bei seiner OMT-Ankündigung, „glauben Sie mir: Es wird reichen“.

Bislang hat die EZB noch keine Käufe über das OMT-Programm durchgeführt. Dennoch stellt sich die Frage, ob mittels OMT die für den Euro-Rettungsfonds ESM bestehende Haftungsgrenze – für Deutschland beträgt sie 190 Milliarden Euro, also zwei Drittel des Bundeshaushalts – nochmals und ohne Mitwirkung der Parlamente erweitert wird? Und ist das, was Draghi ankündigt, überhaupt noch erlaubte Geldpolitik oder nicht bereits verbotene nationale Budgetpolitik? Wo liegt die Grenze, die nicht überschritten werden darf? Das alles wollten auch die Karlsruher Richter wissen.

Der EZB-Direktor Jörg Asmussen behauptet, die OMT seien eine bloße „Ankündigung“, die ihren Zweck längst erfüllt habe. Die Märkte hätten sich „beruhigt“. Eine genaue Durchrechnung zeigt, daß bei einer praktischen OMT-Umsetzung maximal 524 Milliarden Euro ankaufsfähiger Staatsanleihen im Feuer stünden. Für Bundesbankpräsident Jens Weidmann ist ein Notenbank-Ankauf von Staatspapieren weiter „monetäre Staatsfinanzierung“ – und daher verboten. „Alle Inflationen haben einmal so begonnen“, warnt Weidmann.

Schäuble will für die EZB mehr Handlungsspielraum

Doch wie kann dies praktisch verhindert werden? Einen sofort gangbaren Weg offeriert das aktuelle Gesetz über die Deutsche Bundesbank. Der heutige Paragraph 42 wurde als Paragraph 41a anläßlich der Einbringung des deutschen Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes von 1967 in das Bundesbankgesetz eingefügt. Die zentrale Aussage lautet: Wenn Staatspapiere zur Marktberuhigung und Zinsfestlegung von der Notenbank übernommen und am Markt verwendet werden, bleibt der Erlös aus diesen Papieren dem Schuldner vorenthalten: „Der Betrag darf nur zur Einlösung fälliger oder von der Bank vor Verfall zurückgekaufter Liquiditätspapiere verwendet werden“, heißt es da. Das Geld wandert also nicht zur Staatskasse, sondern bleibt in der Bank verschlossen.

So läßt sich die beabsichtigte Zinssenkung von der unbeabsichtigten, hochinflatorischen Defizitfinanzierung des Staates trennen. Warum kann diese vergessene Bundesbank-Norm nicht zur Zähmung der EZB in deren Statut eingebaut werden? Die Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe zeigten sich beeindruckt von diesem Vorschlag. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warnte hingegen, „nicht den Handlungsspielraum der EZB einzuengen“. Rechnet er vielleicht damit, daß angesichts der deutschen Haftungssummen sein Bundeshaushalt demnächst auch von Draghis Gelddruckmaschine „gerettet“ werden muß?

Prof. Dr. Wilhelm Hankel ist Währungsexperte und klagte mit Fachkollegen gegen den Maastricht-Vertrag, die Griechenlandhilfe und den Euro-Rettungsschirm

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