© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/13 / 28. Juni 2013

Es ist alles Gold, was glänzt
Ägyptische Götterwelt: Die phantastische Ausstellung „Tutanchamun“ ist allein eine Reise nach Berlin wert
Fabian Schmidt-Ahmad

Es war die Weltsensation: Im Jahr 1922 stieß der britische Ausgräber Howard Carter auf ein nahezu unberührtes Pharaonengrab im Tal der Könige. „Überall schien der Glanz des Goldes“, erinnerte er sich später, als nach Jahrtausenden das erste Licht die Grabkammer erleuchtete. Inmitten prächtiger Schätze bestattet, hatte die Mumie von Pharao Tutanch-amun die Zeiten überdauert. Der spektakuläre Grabfund löste geradezu eine Euphorie aus. Der ägyptisierende Stil war nun en vogue, Damen der höheren Gesellschaft schmückten sich mit Nachbildungen der Halsketten, Ringe und Broschen, welche die Grabungsexpedition sicherte.

Doch wie war das Grab unmittelbar nach der Bestattung Tutanch-amuns aufgebaut? Heute befinden sich die unschätzbar wertvollen Exponate im Kairoer Museum und können so keinen Gesamteindruck der Originalsituation vermitteln. Selbst Carter erblickte nicht mehr den Originalzustand, sondern nur ein aufgeschichtetes Durcheinander.

Womöglich hatten schon in antiker Zeit Grabräuber den Abtransport der Schätze vorbereitet, den sie aber nicht mehr durchführen konnten. Ein ungeheurer Glücksfall für die Nachwelt. In einer phantastischen Ausstellung in der Arena Berlin kann man nun auf 4.000 Quadratmetern eine hochwertige Nachbildung des Grabes in seiner vermuteten ursprünglichen Anordnung besuchen. Völlig zu Recht heißt in einem Begleittext, die Schau beschwöre „die Faszination des vergangenen exotischen Reiches am Nil mit modernsten Mitteln neu herauf“.

Der Sohn des „Ketzerkönigs“ Echnaton hatte ein schwieriges Erbe anzutreten. Im Alter von acht oder neun Jahren bestieg er im Jahr 1332 v. Chr. als Tutanchaton den Thron. Unter seiner Herrschaft wurde der monotheistische Aton-Kult seines Vaters abgeschafft, die alten Götter wieder eingeführt und die neue Residenzstadt Amarna (Achet-Aton) aufgegeben. Er selbst nahm den Namen Tutanchamun an, nach dem alten ägyptischen Hauptgott Amun. Bereits als Achtzehn- oder Neunzehnjähriger starb er, vielleicht an den Folgen eines Jagdunfalls. Trotz seiner vergleichsweise unbedeutenden Stellung zeugt das unversehrte Grab von den gewaltigen Schätzen, die einem Pharao auf seiner Reise ins Jenseits mitgegeben wurden.

Die einmalige Gelegenheit, ein ungeplündertes Pharaonengrab sehen zu können, hatte Carter in zahlreichen Skizzen und Fotografien festgehalten. Mit dieser Dokumentation als Grundlage wurde die Ursprungssituation rekonstruiert. Rund tausend qualitätvolle, mit Blattgold überzogene Repliken vermitteln gerade auch durch die Präsentationsnähe ein beeindruckendes Bild.

Die Rekonstruktionen der vorgefundenen drei Hauptkammern leiten die Ausstellung ein. Die Palette der Kunstwerke ist breit gefächert. Gold, die Farbe der Sonne und des Geistes, dominiert. Auch die vorgefundenen Wandmalereien wurden an die Stellwände reproduziert.

Drei vergoldete Schreine, mit Reliefs reich geschmückt, prächtig bemalte Särge, ein Sarkophag und farbig gefaßte Skulpturen der reichen ägyptischen Götterwelt beherrschen die Räume. Dazu Porträtbüsten, auch von Tutanchamun selbst, Mobiliar, teils farbig gefaßt und mit plastischem Schmuck versehen, kostbare Prunkbetten, eindrucksvoller Schmuck, Musikinstrumente, Waffen, Sonnen- und Mondbarken. Selbst die Schuhe des Pharaos und einer seiner vergoldeten Streitwagen sind zu sehen und vermitteln einen lebendigen Eindruck aus der Zeit des Neuen Reiches.

Deutlich wird, wie die ganz eigenwillige, oft als naturalistisch bezeichnete, manchmal überzogene Ausdrucksweise der durch Echnaton eingeführten, heute so genannten Amarna-Kunst – einer Besonderheit innerhalb des alten ägyptischen Kunststils –, auch nach der Aufgabe der monotheistischen Religion weiterlebte. Diesen Impuls rückgängig zu machen stand offensichtlich außerhalb der Macht der wiedererstarkten Amun-Priesterschaft.

Es empfiehlt sich die Zusammenschau mit der opulenten Ausstellung „Im Licht von Amarna. 100 Jahre Fund der Nofretete“ im Neuen Museum (JF 9/13), die natürlich durch die Schau der Originale ein anderes Anliegen hat und bis 4. August verlängert wurde.

Die Ausstellung„Tutanchamun. Sein Grab und die Schätze“ ist bis zum 1. September 2013 in der Arena Treptow, Eichenstr. 4, täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Kartentelefon: 030 / 479 974 77, www.tut-ausstellung.com

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