© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/13 / 28. Juni 2013

Von wegen Transformation
Der Untergang Roms war eine Gewaltgeschichte
Lydia Conrad

Seit einiger Zeit versuchen europaselige Historiker verstärkt nachzuweisen, daß es überhaupt keinen Untergang des Römischen Reiches infolge der massenhaften Einfälle von Fremdvölkern, sondern nur eine sanfte „Transformation“ hin zu den europäischen Nationalstaaten gegeben habe. Dabei stützen sie sich vorrangig auf die ebenso lückenhaften wie ambivalenten schriftlichen Quellen, die natürlich kein exaktes Bild zeichnen können, weil sie zumeist genau dann schweigen, wenn es zu flächendeckenden Massakern an den schriftkundigen Bürgern des Imperiums gekommen war.

Hiergegen opponieren jetzt 17 deutsche und ungarische Archäologen sowie Anthropologen in einem wegen seines hohen Preises wohl kaum Verbreitung findenden Sammelband, der die Beiträge der 6. Tagung der Arbeitsgemeinschaft Spätantike und Frühmittelalter vom Oktober 2011 enthält. Wie ein roter Faden zieht sich durch alle Texte über die Verhältnisse in der Zeit vom 3. bis zum 6. Jahrhundert, daß das Gewaltpotential ungeheuer groß gewesen sein muß.

Davon zeugen unter anderem die Münzdepots und Brandschichten in der römischen Provinz Pannonien (heutiges Westungarn), die auf den quadisch-sarmatischen Angriff des Jahres 260 n. Chr. zurückgehen, der die militärische und zivile Infrastruktur Pannoniens in kürzester Zeit vernichtet hatte. Ebenso evident sind die vielen Skelettreste grausam zugerichteter Menschen, die dem Katastrophenhorizont der Attacken von 353 zugeordnet werden konnten.

Eine besonders nachvollziehbare Interpretation liefert darüber hinaus der Kölner Archäologe Thomas Fischer. Er betont, daß die verstümmelten Leichen, gerade auch von Frauen und Kindern, die im Laufe des Jahres 244 n. Chr. in den Trinkwasserbrunnen Obergermaniens und Raetiens „entsorgt“ wurden, ganz zweifelsfrei auf Gewalttaten durch Invasoren hinweisen. Mit exekutierten Angehörigen der eigenen Kultur wäre man ganz sicher rationaler verfahren.

Andere Erklärungsansätze, welche von Umweltkatastrophen oder sozialen Unruhen innerhalb der provinzialrömischen Gesellschaft ausgehen, seien „eher durch den Zeitgeist, denn durch ernsthafte historische Reflexionen bedingt“, so Fischer explizit.

Orsolya Heinrich-Tamáska (Hrsg.): Rauben, Plündern, Morden. Nachweis von Zerstörung und kriegerischer Gewalt im archäologischen Befund. Verlag Dr. Kovač,       Hamburg 2013, broschiert, 372 Seiten, Abb., 98,80 Euro

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