© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/13 / 05. Juli 2013

Anna Terschüren. Die NDR Mitarbeiterin zerpflückt das GEZ-System
Allein gegen alle
Ronald Gläser

Noch nie hat einer der weit über 20.000 hauptamtlich Beschäftigten der öffentlich-rechtlichen Sender die jüngste GEZ-Reform kritisiert. Nicht einer. Kein Wunder. Das Einstiegsgehalt eines Redakteurs bei einem Sender wie RBB oder WDR beträgt mehr als 4.600 Euro und erreicht nach einigen Jahren etwa das Doppelte des Durchschnittsgehalts in Deutschland. Die Chefs verdienen sogar mehr als Kanzler oder Minister. Wer würde die Finanzierungsgrundlage eines solchen Systems kritisieren, wenn er selbst so schamlos davon profitiert? Natürlich profiliert sich niemand unter diesen Umständen als Nestbeschmutzer.

Anders Anna Terschüren. Der Medienrechtlerin (TU Ilmenau) ist es zu verdanken, daß die GEZ-Neuordnung auf die Tagesordnung gekommen ist. Ihre Tätigkeit beim NDR verleiht ihrer Kritik an der Reform eine Bedeutung, die über das hinausgeht, was seit einem halben Jahr in deutschen Feuilletons zum Thema GEZ stattfindet. Sie ist Insiderin, und sie greift das System an der Wurzel an.

Terschüren argumentiert unter anderem, daß eine Werbefinanzierung der Sender eher schade als nutze. Sie beeinträchtige die Vielfalt und ermögliche Werbekunden Einfluß auf die Programmgestaltung. Terschüren schlägt die Abschaffung der Werbung bei den Sendern vor. Auch kritisiert sie die mangelnde Kontrolle. Es gebe für die Sender „keine Anreize, wirtschaftlich und sparsam zu arbeiten“. Vielmehr versuchten diese aus dem planwirtschaftlichen System „das Höchstmögliche an Mitteln ‘herauszuschlagen’“. Fazit: Die Sender hätten mit derzeit siebeneinhalb Milliarden Euro pro Jahr deutlich mehr Geld erhalten, als sie bräuchten. Den Hörfunk stellt Terschüren vollständig in Frage. Dessen Beitrag zur Grundversorgung sei unerheblich, daher könne er so nicht aufrechterhalten werden. Insgesamt sei die GEZ-Reform verfassungswidrig, so die damalige Doktorandin. Dabei soll nicht unterschlagen werden, daß Terschürens Gegenmodell Schwächen aufweist. Sie ist keine Gegnerin des Zwangsrundfunks und wünscht sich nur eine „sozial gerechtere“ Verteilung der Kosten.

Trotzdem ist die Doktorarbeit („Die Reform der Rundfunkfinanzierung“) phänomenal. Kaum, daß Terschürens Doktorarbeit veröffentlicht ist, wurde nun bekannt, daß die 29jährige nur noch bis September in der NDR-Finanzverwaltung arbeitet. „Ich habe aus freien Stücken gekündigt“, beteuert sie in einem Interview. Wirklich? Es gibt auch Aufhebungsverträge, in denen definiert ist, daß über die Gründe des Ausscheidens nicht gesprochen werden darf.

Immerhin läßt sie durchblicken, die Veröffentlichung ihrer Doktorarbeit habe eine Rolle gespielt. „Wenn man so ein System kritisiert und verändern will, dann ist das immer sehr schwer, das von innen heraus zu machen“, sagte Terschüren. Sie suche jetzt nach einer neuen Beschäftigung, ließ sie ihre Twitter-Freunde wissen. Ein öffentlich-rechtlicher Sender wird Terschüren kaum anwerben wollen. Nicht nach dieser Doktorarbeit.

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