© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/13 / 05. Juli 2013

Sieg für den Rechtsstaat
Bundesverwaltungsgericht: Pro Köln erzielt Erfolg gegen Verfassungsschutz
Kurt Zach

Es läuft zur Zeit nicht gut für den Verfassungsschutz. Gleich zwei Verwaltungsgerichtsurteile haben Ende Juni die Verdachtsberichterstattung über Parteien, Verlage und Presseorgane, die in Verfassungsschutzberichten als bloße „Verdachtsfälle“ für „verfassungsfeindliche, rechtsextremistische Bestrebungen“ aufgelistet werden, wegen der damit verbundenen Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen für rechtswidrig erklärt (Kommentar Seite 2).

Am 26. Juni gab das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einer Klage der Bürgerbewegung Pro Köln gegen ihre Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten des Bundes für die Jahre 2008 bis 2010 statt (AZ: BVerwG 6 C 4.12): Das Bundesverfassungsschutzgesetz lasse „eine Berichterstattung über den bloßen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen nicht zu“. Zwar gebe es „grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken“ gegen eine Berichterstattung aufgrund „tatsächlicher Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen“.

Beobachten, aber nicht berichten

Diese müßten aber hinreichend gewichtig und sicher festgestellt sein. Auch bedürfe es einer gesetzlichen Ermächtigung. Andernfalls stehe es dem Geheimdienst zwar frei zu beobachten und weiter Informationen zu sammeln, aber nicht darüber zu berichten. Pro Köln hatte zunächst erfolglos vor dem Verwaltungsgericht Berlin und dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg auf Unkenntlichmachung der betreffenden Passagen in den Berichten geklagt und in der Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht schließlich gewonnen. Die juristische Auseinandersetzung ist für Pro Köln damit allerdings noch nicht zu Ende; zwei Tage nachdem sich der Vorsitzende von Pro Köln und Pro NRW, Markus Beisicht, über den „Riesenerfolg für die ganze Pro-Bewegung“ gefreut hatte, kritisierte er den nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD). Dieser hatte erklärt, die Verdachtsberichterstattung sei in seinem Bundesland zulässig und werde auch weiter fortgeführt.

Anders in Schleswig-Holstein: Dort entschied die zwölfte Kammer des Verwaltungsgerichts Schleswig per einstweiliger Anordnung zugunsten der Verlagsgruppe Lesen & Schenken, die gegen ihre Nennung als „Verdachtsfall“ im Landesverfassungsschutzbericht 2012 geklagt hatte (Az.: 12 B 32/13). Die Verlagsgruppe, zu der unter anderem der Arndt-Verlag und die Zeitschriften Zuerst! und Der Schlesier gehören, hatte sich erfolgreich auf drohende Nachteile im geschäftlichen Verkehr berufen. Die Schleswiger Richter sahen in der Nennung im Bericht einen unverhältnismäßigen „Eingriff in die vom Grundgesetz gewährleistete Presse- und Meinungsfreiheit“, der durch die auch grundsätzlich angegriffene Einstufung als Verdachtsfall kaum zu rechtfertigen sei. Verleger Dietmar Munier ist angesichts des tags darauf ergangenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts optimistisch für den Ausgang des Hauptsacheverfahrens.

Beide Entscheidungen, vor allem die des Schleswiger Verwaltungsgerichts, gehen letztlich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2005 zurück, in dem der Erste Senat nach zehnjähriger Auseinandersetzung die Praxis des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes für verfassungswidrig erklärt hatte, die JUNGE FREIHEIT wegen des niemals erhärteten „Verdachts rechtsextremistischer Bestrebungen“ im VS-Bericht des Landes zu erwähnen (1 BvR 1072/01). Ausdrücklich stellte das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungsgründen fest, die JUNGE FREIHEIT werde durch die Nennung in den Berichten in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit verletzt und ihre Wirkungsmöglichkeiten würden nachteilig beeinflußt.

JF-Urteil von 2005 war Wegweiser

Unter dem Eindruck der Argumentation des wegweisenden „JF-Urteils“ des höchsten deutschen Gerichts, bestätigte auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 6. April 2006 ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts von 1997, das die Aufnahme der Republikaner in den Berliner Verfassungsschutzbericht für rechtswidrig erklärte (OVG 3 B 3.99). In der Folge wurden die Republikaner, zum Teil erst nach Androhung weiterer Prozesse nach Berliner Muster, aus allen Verfassungsschutzberichten der Länder gestrichen, zuletzt 2007 auch aus dem des Bundes, der ihre Mitglieder als Ausweichstrategie zuvor noch zum „Personenpotential“ des Rechtsextremismus gezählt hatte.

An eine solche Entwicklung hatte wohl auch Pro-NRW-Chef Beisicht bei seiner euphorischen Erwartung gedacht, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts werde „nicht ohne Folgen bleiben (…) für die mediale und staatliche Behandlung“ seiner Partei. Daß das kein Selbstläufer ist, davon können freilich nicht nur die Republikaner ein Lied singen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen