© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/13 / 05. Juli 2013

Schleswig-Holstein droht Neuwahl
Dänische Minderheit: Das Landesverfassungsgericht in Schleswig überprüft, ob die Befreiung von der Fünfprozenthürde noch zeitgemäß ist
Hans-Joachim von Leesen

Die Dänen in Schleswig-Holstein sind politisch privilegiert. Ihre Partei, der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), ist von der Fünfprozentklausel befreit. Sie muß lediglich so viele Stimmen gewinnen, wie für einen Sitz im Landtag nötig sind.

Doch nun steht das Privileg auf der Kippe, das Landesverfassungsgericht überprüft die Regelung. Die Folgen könnten gravierend sein und zu Neuwahlen führen. Solange der SSW nur im ursprünglichen Siedlungsgebiet der Dänen, dem historischen Schleswig, kandidierte, war die Befreiung von der Fünfprozenthürde unumstritten. Hier, in einem schmalen Streifen zwischen der heutigen deutsch-dänischen Grenze und dem Nord-Ostsee-Kanal sind die „dänischen Deutschen“ oder „deutschen Dänen“ in nahezu jedem Gemeindeparlament vertreten. Im Landtag vertritt zudem meist ein SSW-Abgeordneter die Interessen der dänischen Minderheit, von deren Mitgliedern allerdings die wenigsten die dänische Sprache beherrschen.

Das änderte sich erst, als die Parteien im Jahre 2000 das Landeswahlgesetz änderten. Jetzt besaß jeder Schleswig-Holsteiner zwei Stimmen, eine um einen Direktkandidaten und eine, um die Landesliste, die für ganz Schleswig-Holstein gilt, zu wählen.

„Dänen-Ampel“ dank Privilegierung

Kenner der Grenzsituation sahen Probleme mit der dänischen Minderheit voraus, denn nun konnte der bisher nur im nördlichen Schleswig-Holstein agierende SSW auch Stimmen in Gebieten fischen, in denen niemals Dänen ansässig waren, etwa in Dithmarschen oder in Lübeck. Ist er dann aber noch eine Minderheitenpartei?

Es trat ein, was vorauszusehen war. Von den etwa 60.000 Stimmen, die bei der Landtagswahl 2012 auf den SSW entfielen, stammten rund 20.000, also ein Drittel, aus rein deutschen Gebieten, also etwa von Protestwählern, keinesfalls aber von Dänen. Die wundersame Vermehrung der „dänischen“ Stimmen bescherte dem SSW im Mai 2012 bei der Landtagswahl 4,6 Prozent und drei Landtagsabgeordnete. Jede andere Partei hätte mit diesem Ergebnis den Einzug in das Parlament verfehlt, nicht aber der privilegierte SSW. Genau diese drei Stimmen aber wurden benötigt, um eine sogenannte „Dänen-Ampel“ aus SPD, Grünen und SSW zu bilden, die nunmehr eine Stimme mehr hatten als CDU und FDP. Unter Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) stellt der SSW mit Kultusministerin Anke Spoorendonk nun erstmals in der Geschichte eine dänische Ressortchefin.

Die CDU war zwar enttäuscht, resignierte aber, während ihre Jugendorganisation aktiv wurde. Die Junge Union reichte beim Landesverfassungsgericht eine Klage ein, weil sie die Ansicht vertritt, der SSW verdiene keine Privilegierung als Minderheitenpartei mehr, weil er durch sein Wirken im ganzen Land Schleswig-Holstein zur normalen Regionalpartei geworden sei. Eine solche aber unterliege der Fünfprozenklausel, so daß die jetzigen drei SSW-Abgeordneten zu Unrecht im Kieler Landtag säßen. Damit aber verlöre die Koalition ihre Mehrheit. Außerdem weise das Wahlprogramm des SSW bereits aus, daß die Minderheitenbelange nur noch einen geringen Stellenwert hätten.

Jetzt hatten die Kontrahenten die Möglichkeit, ihre Argumente vor dem Landesverfassungsgericht zu präsentieren und dessen Fragen zu beantworten. Es fiel auf, daß die dänische Minderheit vor allem politisch argumentierte. Sie warnte davor, daß das Verhältnis zu Dänemark Schaden nehmen könnte, wenn man der Minderheit das Vorrecht abspräche. Die Kläger dagegen, vertreten durch den Rechtsanwalt Trutz Graf Kerssenbrock, machten ihre Position deutlich, nach der der SSW durch die Sonderregelung gegenüber anderen Parteien überprivilegiert sei, wodurch der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit verletzt werde.

Das Gericht wird nach den Sommerferien das Urteil sprechen, von dem das Schicksal der Landesregierung in Kiel abhängt.

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