© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/13 / 05. Juli 2013

Zwangseinsatz von umstrittenem US-Kältemittel verhindert
Flensburg schlägt Brüssel
Jörg Fischer

Wie sorgen Hersteller einer teueren Chemikalie, die die Welt nicht braucht, dennoch für Absatz? Sie beauftragen Lobbyisten in Brüssel, den EU-Zuständigen etwas von Klimaschutz, Ozonschicht und den Gefahren des Kältemittels R134a in Autoklimaanlagen und den Vorzügen der Alternative R1234yf einzureden. Gleichzeitig werben die Konzerne Honywell und DuPont intensiv bei den EU-Autoherstellern, die sich schließlich auf die patentgeschützte US-Chemiekalie verständigen. Der Einsatz von fast kostenlosem Kohlendioxid (CO2), zu dem Umwelt- und Technikexperten rieten, hätte Autoklimaanlagen konstruktiv zunächst um einige hundert Euro verteuert.

Dumm nur, daß R1234yf brennbar ist und bei einem Autounfall Fluorwasserstoff freisetzen kann, der mit Wasser zu hochgiftiger, ätzender Flußsäure reagiert. Tests bei Daimler bestätigten die Gefahren. Angesichts des sich abzeichnenden Crash-Debakels um den von Renault für Mercedes-Benz produzierten Hochdachfamilienkombi Citan (JF 19/13) konnte sich der Stuttgarter Autokonzern keine zweite Blamage leisten. Ende September 2012 wurde das Aus für R1234yf verkündet. Alle Mercedes werden daher aus Sicherheitsgründen mit R134a ausgeliefert.

Der vorsorgende Insassen- und Unfallhelferschutz rief jedoch Brüssel – und vermutlich auch die Honywell/DuPont-Lobby – auf den Plan. Daimler verstoße gegen eine EU-Richtline von 2006, die den Einsatz von R134a in Fahrzeugen, deren Typgenehmigung nach dem 1. Januar 2011 erteilt wurde, verbiete. Doch der Teufel steckt bekanntlich im Kleingedruckten. Wird nämlich für ein Nachfolgemodell eine erweiterte und keine neue Typgenehmigung beantragt, gilt das alte Zulassungsdatum weiter. Die Entscheidung darüber liegt beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg – und die Behörde erteilte nun nachträglich die geänderten Zulassungen für die A-, B- und SL-Klasse. Bleibt die Frage: Wann wird endlich die nächste EU-Richtlinie ausgehebelt?

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