© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/13 / 05. Juli 2013

Frisch gepresst

Egon Friedell. Gegen alle Erwartung wurde die dreibändige „Kulturgeschichte der Neuzeit“ (1927–1931) des Privatgelehrten und Schauspielers Egon Friedell ein Verkaufsschlager, nicht nur in der krisengeschüttelten Weimarer Republik. Bis heute ist das in zahlreichen Übersetzungen verbreitete Werk greifbar und kann als Sprungbrett für den Bildungserwerb jenseits von Pisa dienen. Das optimistische Gegenstück zu Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“ (1918) verdankt seine ungebrochene Anziehungskraft dem impressionistischen Anekdotenreichtum, der die Geschichte Europas zwischen Schwarzer Pest und Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Plauderton des Wiener Caféhauses aufbereitet. Kein Wunder, daß Friedells Biograph Bernhard Viel sich zu detailreichen Milieustudien hinreißen läßt, um Friedell im Beziehungsgeflecht des Wiener Fin de siècle zu porträtieren. Wer endlich Viels Deutungen der „Kulturgeschichte“ kennenlernen möchte, muß sich also durch 200 Seiten Boheme-Alltag der Habsburger-Metropole quälen. Enthusiasmus für den genialen Enzyklopädisten weckt das nicht, zumal die originell „reaktionären“ Segmente seiner Weltanschauung mit Rücksicht auf die heutige, überwiegend linksliberale Leserschaft von Friedells altem Verlag eher unterbelichtet bleiben. (rb)

Bernhard Viel: Egon Friedell. Der geniale Dilettant. Eine Biographie, C. H. Beck Verlag, München 2013, gebunden, 352 Seiten, Abbildungen, 24,95 Euro

 

Endkampf. Der Major der Reserve Percy Ernst Schramm, einer der bedeutendsten Historiker des 20. Jahrhunderts, war seit 1943 im Oberkommando der Wehrmacht als „Thukydides Hitlers“ (Erwin Panofsky) für die Führung des Kriegstagebuchs zuständig. Als er im Mai 1945 in US-Gefangenschaft geriet, fertigte Schramm für die American Historical Division eine Darstellung über den Kampf der Wehrmacht des Jahres 1945 an. Ohne Kommentar gibt der pensionierte Oberschulrat Wingolf Scherer das faksimilierte Manuskript, verkürzt auf den Krieg im Westen, nun heraus. Ohne den von Schramm dokumentierten Abwehrkampf in den östlichen Reichsgebieten verführt diese Auswahl Scherer wohl zu dem einleitend formulierten Fehlschluß, Schramm liefere hier die Bilanz eines „sinnleeren Widerstands“. (ob)

Wingolf Scherer (Hrsg.): Percy Ernst Schramm. Aufzeichnungen des Kriegstagebuchführers. Teil 1: Der Krieg von Westen nach Osten 1945, Helios Verlag, Aachen 2013, gebunden, 292 Seiten,
28,50 Euro

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