© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/13 / 05. Juli 2013

Hopfen und Malz, Privat erhalt’s
Fort mit den Fernsehbieren: Der Trend geht hin zum Gerstensaft in Kleinstauflage
Bernd Rademacher

Das Jahr ist zur Hälfte um, und Bayerns Bierbrauer freuen sich an einem Rekord: Mit über vier Millionen Hektolitern exportierten sie soviel bayerischen Gerstensaft wie nie zuvor. Die durstigsten Abnehmer sind Italien, die USA und die Schweiz. Freilich paßt eine andere Nachricht gar nicht zu dieser Jubelmeldung: Hierzulande sank der Bierkonsum vergangenes Jahr um weitere zwei Millionen Hektoliter auf den niedrigsten Stand seit der kleindeutschen Wiedervereinigung. Nur die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 brachte ein Miniplus. Über den Grund rätseln Brauer und Medien. An einer Abstinenzwelle liegt’s nicht, denn der Alkoholkonsum pro Kopf bleibt vom Bierrückgang unbeschadet. Schmeckt den Deutschen ihr Kultgetränk Nummer eins etwa nicht mehr?

Das ist gar nicht so unwahrscheinlich. Denn mit der Konzentration traditioneller Brauereien zu Braukonzernen geht Geschmacksvielfalt verloren. So produziert die Radeberger-Gruppe (die selbst zum Dr.-Oetker-Konzern gehört) etliche der bekannten Biermarken von Berliner Kindl über Jever und Küppers Kölsch, Schöfferhofer Weizen, Schlösser Alt bis Wicküler Pils. Die „Fernseh-Biere“ sind bei einer Blindverkostung kaum auseinanderzuhalten. Es sind Flüssigkeiten, die mal etwas mehr, mal etwas weniger nach lahmer Süße (Malz) und angedeuteter Herbe (Hopfen) schmecken. Dazwischen und dahinter kommt geschmacklich nicht viel.

Dem entgegen steht ein anderer Biertrend: Mikrobrauereien legen zu. Familienbetriebe und Heimbrauer sieden Spezialtrunke, die in keinem Supermarktregal zu finden sind. Dieser hoffnungsfrohe Trend kommt ausgerechnet aus den Vereinigten Staaten, die unter Biertrinkern eher als Land der labbrigen Spülwasserbiere gelten. Doch gerade als Folge der Marktkonzentration hat sich eine vielfältige Szene örtlicher „Homebrew“-Hobbybrauer etabliert, die ihre Sudkessel zum Experimentierlabor machen. Da im Land der unbegrenzten Möglichkeiten auch brauereigebundene Lokalketten verpflichtet sind, Biere unabhängiger Produzenten auszuschenken, rinnt die durstigen Kehlen eine erquickende regionale Vielfalt herab.

Damit auch die wachsende Fangemeinde in Deutschland die Produkte unabhängiger Braukünstler genießen kann, bietet der „Bierzwerg“ eine Auswahl, die einfach berauschend ist. Die Handelsfirma aus Greven an der Ems vertreibt Hunderte lokaler Bierspezialitäten per Internet. Warum nicht mal ein „Wilhelm-Busch-Bier“ aus der Schaumburger Privatbrauerei Stadthagen probieren? Oder ein „Bausinger“ aus der Biermanufaktur der Familie Teufel aus Rottenburg? Oder ein Mosbacher Zoigl aus der Privaten Landbrauerei Scheuerer im Oberpfälzer Wald? Oder ... Wer sich gar nicht entscheiden kann, abonniert einfach den „Bierzwerg des Monats“ und erhält monatlich zehn verschiedene Erzeugnisse ausgesuchter Kleinstbrauereien. Schon Luther lobte das Lokale: „Ich sitze hier und trinke mein gutes Wittenbergisch Bier, und das Reich Gottes kommt von ganz alleine.“

Viele Brauhäuser bieten Braukurse an

Wem selbst das noch nicht exklusiv genug ist, der braut sein Bier kurzerhand selbst. Unzählige Online-Händler bieten die nötige Ausrüstung, Inhaltsstoffe und Ratgeberliteratur. Bevor man sich Profi-Geräte wie Bierspindel, Gärtank und Kühlspirale anschafft, kann man sein Talent auch mit haushaltsüblichen Utensilien testen. Alles, was man braucht, sind zwei große Eimer, ein Kochthermometer, ein 20-Liter-Topf, ein sauberes Laken und 40 leere Bierflaschen mit Bügelverschluß. Bestellmöglichkeiten für Braumalz, Hopfen und Hefe sowie Anleitungen sind im Internet leicht aufzutreiben. Das Bierbrauen mit Freunden ist ein geselliges Erlebnis. Nur schade, daß man sich drei Wochen gedulden muß, bis man die Früchte seiner Arbeit probieren kann.

Viele kleine Brauhäuser bieten Braukurse als Event an und bewerben die Seminare als „ideales Geburtstagsgeschenk für Männer“. Die Teilnehmer lernen im Schnellverfahren und in heiterer Atmosphäre das Wichtigste über Stammwürze, Biersorten und Braugeschichte. Die Bierverkostung kommt dabei natürlich nicht zu kurz. Es gibt sogar mobile Anbieter, die mit ihrer Ausrüstung nach Hause kommen und im privaten Heim das Brauen schulen. Eine interessante Alternative für die Geburtstagsparty? Der Vorteil: Das Eigenbräu kann man direkt im eigenen Keller lagern.

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