© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/13 / 12. Juli 2013

Spiel des Jahres – ohne Gewinner
Das kapiert doch kein Kind
Birgit Kelle

Das japanische Spiel „Hanabi" hat diese Woche den Titel „Spiel des Jahres 2013" errungen – ein Spiel ohne Gewinner. Oder wollen wir lieber sagen: ohne Verlierer. Denn gewinnen kann niemand, verlieren auch nicht. Am Schluß haben alle Mitspieler gemeinsam eine „Feuerblume" gelegt. Zu schaffen ist es nur, wenn sich alle Spieler gegenseitig helfen, denn alle halten ihre Karten verkehrt herum, können ihr eigenes Blatt nicht sehen.

Nun kann man eigentlich nichts gegen solche Spiele sagen, wäre dieses nicht so furchtbar politisch korrekt – und würde es sich nicht so sensationell einreihen in unser deutsches Bestreben, möglichst keine „Verlierer" zu produzieren, „jedes Kind mitzunehmen", überall nur noch „Win-win-Situationen" zu schaffen. Gleichheit und Harmonie so weit das Auge reicht.

Elite? Nahezu ein Affront. In der Schule werden alle möglichst gleich beschult, damit möglichst alle den gleichen Abschluß machen. Sitzenbleiben? Schaffen wir ab, es bringt ja nur Verlierer hervor. Vergessen wird dabei: Im Leben verliert man immer wieder. Gut, wenn schon Kinder damit „spielerisch" umgehen und dabei viel lernen. Zum Beispiel Strategie: Nicht umsonst heißt es sprichwörtlich, jemanden nicht „in die Karten blicken" zu lassen. Oder auch Wettkampf, die Freude am Gewinnen. Man braucht das, um weiterzukommen, auch später im Leben.

Vielleicht sollte ich die Jury von „Das Spiel des Jahres" einmal zu uns nach Hause einladen. Wenn meine vierjährige Tochter mit einem Stapel Spiele bewaffnet anrückt, sagt sie zur Eröffnung gerne: „Ich zock dich ab." Wie alle ihre Geschwister mußte sie bis zu diesem Satz eine harte Schule durchmachen. Tränen, wenn beim Memory der eigene Stapel kleiner ist als der der Geschwister. Diese wiederum haben gelernt, sie beim Spiel gewinnen zu lassen. Heimlich, aus Rücksicht, weil die Kleinste zwar gewinnen, aus Stolz aber keine Hilfe will.

Sozialkompetenz – auch die kann man lernen. Inzwischen kann die Kleine verlieren, ganz ohne Tränen. Manchmal teilt sie generös ihre Karten mit mir, wenn sie mich „abgezockt" hat. Sie hat gelernt, großmütig zu gewinnen und mit Anstand zu verlieren. Ein Spiel ohne Sieger hat selbst für eine Vierjährige keinen Sinn.

 

Birgit Kelle ist Journalistin und Vorsitzende des Vereins Frau 2000plus sowie Mitglied der New Women for Europe.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen