© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/13 / 12. Juli 2013

Sachsen sägt am Grundpfeiler
Innere Sicherheit: Obwohl die Kriminalität an der Grenze zu Polen und Tschechien grassiert, plant die Staatsregierung massive Einschnitte bei der Polizei
Paul Leonhard

Sachsen zieht Konsequenzen aus der steigenden Grenzkriminalität und sinkenden Aufklärungsquoten – und reduziert die Zahl der Polizisten. So bewertet zumindest die Opposition die Pläne der schwarz-gelben Staatsregierung. „Dienststellen werden abgebaut, die Struktur wird ausgedünnt, im Bereich der Prävention gnadenlos gekürzt", faßt Sabine Friedel, innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, die Situation zusammen. Es gebe zuwenig Stellen bei der Polizei, eine falsche, zentralistische Struktur der Sicherheitsbehörden und eine Politik der sozialen Spaltung. Das alles führe zum Anstieg der Kriminalitität.

Brisant: Besonders betroffen ist das Grenzgebiet zu Polen und Tschechien. Hier stieg im vergangenen Jahr die Zahl der erfaßten Straftaten um 10,8 Prozent auf 23.380 Fälle. Dazu kommt, daß die Behörden viele Delikte überhaupt nicht mehr registrieren, weil die Betroffenen sie mangels Vertrauen in die Aufklärung nicht anzeigen.

Zwar will Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) verhindern, daß die Kriminalität weiter ansteigt, gleichzeitig hält er aber am Organisationskonzept „Polizei.Sachsen. 2020" fest. Dieses sieht vor, bis 2025 bei den Verkehrspolizeiinspektionen und den Autobahnpolizeirevieren 43 Prozent der Stellen abzubauen. Gerade diese 402 Beamten fehlen jedoch bei der Bekämpfung der Grenzkriminalität, für die der Streifen- und Ermittlungsdienst auf den Autobahnen ein Grundpfeiler ist. Auch die Bundespolizei hat seit 2008 mehr als tausend Stellen in Sachsen abgebaut, weitere 400 sollen noch wegfallen. Im gleichen Zeitraum wurden bei der Landes- und Bereitschaftspolizei 660 Stellen gestrichen.

Diesen Abbau will die sächsische Staatsregierung durch eine stärkere Kooperation zwischen Bundes- und Landespolizei kompensieren. Ein entsprechendes Pilotprojekt wurde im Mai mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vereinbart. Künftig sollen je ein Bundes- und ein Landespolizist mit zwei Streifenwagen auf den durch Sachsen führenden Autobahnen unterwegs sein. Für die Landespolizei bilden dabei die Kfz- und Drogenkriminalität, für die Bundespolizei die illegale Einwanderung den Schwerpunkt. „Die Delikte in den unterschiedlichen Bereichen hängen oft miteinander zusammen, deswegen wird die Zusammenarbeit der Polizei enger verzahnt", so Ulbig.

In Planung ist zudem eine weitere „Gemeinsame Einsatzgruppe", die durch „sichtbare und spürbare Präsenz" den Fahndungsdruck erhöhen und für mehr subjektive Sicherheit im Grenzgebiet sorgen soll. Bisher gibt es bereits eine überwiegend verdeckt und zivil operierende derartige Fahndungsgruppe. Gleichzeitig setzt der Innenminister auf deutsch-polnische und deutsch-tschechische Polizeistreifen, die länderübergreifend operieren können.

Die meisten dieser Maßnahmen waren allerdings schon 2009 versprochen worden. Damals war auch versprochen worden, die bisherige Präsenz in den Polizeirevieren an der Außengrenze zu garantieren. Stattdessen wurde massiv Personal in den Revieren der Grenzstädte Görlitz, Pirna und Zittau abgebaut.

Opposition warnt vor Scheinsicherheit

Längst gibt es auch Pläne , Polizeiaufgaben zu privatisieren oder auf die Kommunen abzuwälzen. Daß sie auf eine „verstärkte Zusammenarbeit von Kommunen und Landkreisen mit Unternehmen der Sicherheitswirtschaft" setzen, bekundeten CDU-Landtagsfraktion und Innenminister jetzt im Landtag. All das zeuge von „einer großen Hilflosigkeit, wenn gar nicht böswilliger Blauäugigkeit", kritisiert die Landtagsabgeordnete Eva Jähnigen (Grüne). Sie erinnerte an die engen Grenzen, in denen polizeiliche Aufgaben auf private Sicherheitsunternehmen übertragen werden dürfen. Wenn Sachsens Innenminister seine Ideen umsetze, entstehe eine „Scheinsicherheit". Man wolle aber keine Ersatzpolizei und keine Hilfssheriffs, sondern gut ausgebildete echte Polizisten. Wichtigste Aufgabe des Landtages müsse es daher sein, daß die sächsische Polizei über ausreichend Personal verfüge und schnell am Ort des Geschehens eingreifen könne.

Wie trotz Persoanlabbaus die Zahl der Straftaten niedrig gehalten werden kann, könnte Sachsen vom Nachbarland Sachsen-Anhalt lernen. Dort hat ein Beamter der Polizeidirektion Harz die Statistik bereinigt, indem er kurzerhand unaufgeklärte Fälle einem aufgeklärten Komplex zugeordnet und aus dem Computer gelöscht hat. Dadurch stieg die Aufklärungsquote auf 57 Prozent.

www.blauenarzisse.de

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