© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/13 19. Juli / 26. Juli 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
AfD will mehr Programm wagen
Marcus Schmidt

Bernd Lucke und seinen Mitstreitern auf dem Podium im Haus der Bundespressekonferenz ist die Erleichterung anzumerken. Die Alternative für Deutschland hat es geschafft. Knapp 80.000 Unterschriften konnte die Euro-kritische Partei in den vergangenen Wochen sammeln. Sie kann damit in allen 16 Bundesländern zur Bundestagswahl antreten und hat zudem auch 153 Direktkandidaten über die Ziellinie gebracht. Dabei sah es zu Beginn der Unterschriftensammlung gar nicht so gut aus. Die Flutkatastrophe und eine kurzfristig gekippte Landesliste in Bayern ließen Parteichef Lucke bis zum Schluß zittern. Am Ende kamen allein in Bayern innerhalb von nicht einmal drei Wochen 7.000 Unterschriften zusammen. „Die administrativen Hürden sind geschafft“, freut sich Luckes Vorstandskollegin Frauke Petry. Doch die AfD-Führung hat den versammelten Hauptstadt-Journalisten mehr zu berichten.

Die Partei will weg vom Bild einer Ein-Themen-Formation. Zwar bleibe der Euro das bestimmende Wahlkampf-thema, dennoch habe die AfD mehr zu bieten. Um das zu beweisen, hat Lucke die Vorrsitzenden der frisch gegründeten Facharbeitskreise Energie, Verteidigung und Gesundheit samt Thesenpapieren mitgebracht. Vieles davon klingt unspektakulär. Die Privatkrankenkassen will die AfD behalten, die „Zwei-Klassen-Medizin“ bekämpfen. Für die Bundeswehr wünschen sich die Euro-Kritiker eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch über den Sinn von Auslandseinsätzen soll nachgedacht werden. Konkreter wird es beim Thema Energie. Stephan Boyens, Sprecher des dazugehörigen Arbeitskreises, redet sich schnell in Rage. „Die Theorie der Erderwärmung durch Kohlenstoffdioxid bröckelt“, sagt er. Nicht wenige der Journalisten atmen bei diesem Satz hörbar schneller.

Die von der Bundesregierung vorangetriebe Energiewende sei „unsozial und unkalkulierbar“, sagt Boyens. Die AfD setze sich deswegen für mehr Wettbewerb unter den Stromanbietern ein. Die Vorzugsbehandlung von alternativen Energiequellen soll abgeschafft werden. Lucke ist der Redebeitrag seines Energieexperten sichtbar unangenehm. Daß Kohlenstoffdioxid ein „Klimakiller“ sei, werde von seiner Partei nicht bestritten, betont Lucke und distanziert sich damit von Boyens. „Als Partei legen wir keine wissenschaftliche Wahrheit fest.“ Auf Nachfragen sagt der AfD-Chef, Boyens habe lediglich seine „persönliche Meinung“ gesagt. Auch zur Atomkraft gibt es keine klare Meinung. Weiter forschen? Ja! Aber ein Zurück zur Kernenergie soll es nicht geben.

„Uns wäre es auch lieber, wenn das Euro-Thema stärker in der Öffentlichkeit wäre“, unterstreicht der AfD-Chef am Ende. Ausgeschlossen ist das nicht. Lucke verweist auf die Probleme in Griechenland, Spanien und Portugal. „Da wird versucht, etwas unter der Decke zu halten“, ist er sich sicher. Aber vor allem im Straßenwahlkampf spüre er, wie sehr das Thema die Wähler umtreibe. Großveranstaltungen seien allerdings nicht in Planung. „Von der Graswurzel her“ sollen die Wähler gewonnen werden.

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