© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/13 19. Juli / 26. Juli 2013

CD: Frühklassik
Wettstreit der Götter
Sebastian Hennig

Seit mehr als dreißig Jahren leitet der Dirigent Hartmut Haenchen – neben vielen anderen Verpflichtungen – das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach. Aus einer Formation für neue Musik wandelte sich der Klangkörper unter seiner Ägide zum Spezialisten für die frühklassische Musik.

Bereits als Teenager hatte der gebürtige Dresdner im Studiensaal der Sächsischen Landesbibliothek gesessen und das Requiem in C-Dur von Johann Adolf Hasse aus dem Manuskript in spielbare Notenschrift übertragen. Anläßlich des 70. Geburtstages des Dirigenten legt Berlin Classics jetzt die Weltersteinspielung einer Notenschrift aus gleicher Quelle vor.

Vor zehn Jahren wurde „La gara degli dei“ von Johann David Heinichen im Berliner Konzerthaus aufgeführt. „Der Wettstreit der Götter“ wurde geschrieben für die Hochzeit von Friedrich August II. mit der habsburgischen Prinzessin Maria Josepha 1719 in Dresden. Das Werk, in dem sieben Sänger mit virtuosen Orchesterstücken wetteifern, ist nur die Exposition für die Festwoche. Jedem der Götter war ein eigener Tag gewidmet. Darin wurden jeweils Aspekte der Herrschaft verherrlicht, in acht Schauspielen, fünf weiteren Opern, Ballett, Jagden, Feuerwerken und Festmahlen.

Die Sonate des Stücks hebt mit der Präzision eines Uhrwerks an. Glanzvolle Hornsignale und grazile Streicher verkünden eine imperatorische Feierstunde. Ein aufgeregter Ton schickt sich für die Arie des Merkurs. Der Götterbote und Gott des Handels führt ein in die Götterversammlung, die sich an den Ufern der Elbe zusammenfindet, um die Ankunft des glücklichen Paares zu ehren.

Jeder hat seinen Teil aus eigener Zuständigkeit beizutragen. Dynamisch stürzt die Musik einher bei der Arie des Mars. Sie fällt hinter dem Gesang zurück und prescht danach erneut hervor. In diesen tänzerischen und durch das Tempo bestimmten Verläufen liegt der eigene Reiz dieser vorklassischen Musik. Bei einer puristischen Dürre der historischen Praxis geht dieses Besondere in der Regel verloren, und der Hörer bemerkt nur einen Mangel an Gefühlstiefe.

Hartmut Haenchen, der den Begleittext verfaßte, plädiert für eine lebendige Wiedergabe und räumt auf mit orthodoxen Fehlleistungen: „Ein non vibrato als Grundsatz der Spielweise dieser Zeit ist ein heutiger historischer Irrtum.“ Die Extreme der Werktreue pendeln sich langsam aus. Musik entsteht hier aus der Intelligenz der Musizierenden und nicht durch theoretische Erwägungen. Haenchen bestreitet rundweg die Möglichkeit einer „authentischen“ Aufführung und verweist auf das musikalische Gewissen der Interpreten. Das ist eben auch eine Frage der Haltung: Ein Foto zeigt die Ensemblemusiker stehend musizieren.

Bei allem höfischen Gepränge wird es zwischendurch auch innig. Venus findet zu zarteren Tönen und besteht darauf, daß nicht die Pflicht, sondern die Neigung die Brautleute zusammenführt. Sein Sohn war freilich treuer als August der Starke. In einem der schönsten Lieder verweist Diana auf die Freuden der Jagd. Mars konkurriert mit dem Vergnügen des Turniers, und die Erwähnung des „Schattens Heinrichs“ zeigt die ungestillten Ambitionen Kursachsens, das zu gern in die Fußstapfen der Sachsenkaiser gestiegen wäre.

Johann David Heinichen, La gara degli dei / Hartmut Haenchen Berlin Classics (Edel), 2013 www.edel.com

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