© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/13 19. Juli / 26. Juli 2013

Ruhm war sein Leitstern
Ein abenteuerliches Leben: Otto von Corvin-Wiersbitzki
Konrad Faber

Geboren im ostpreußischen Gumbinnen als Sohn eines preußischen Majors a. D. aus polnischem Adel, schlug der junge Otto von Corvin die militärische Laufbahn in der preußischen Armee ein. Doch seinen hellwachen, stets unruhigen Geist konnte der Dienst nicht zufriedenstellen. Um schnell die geliebte Frau aus rheinischer Kaufmannsfamilie heiraten zu können, nahm er kurz entschlossen seinen Abschied.

Mit wenig Erfolg versuchte sich der Leutnant a. D. als Geschäftsmann. Wesentlich mehr Erfolg hatten seine vielfältigen journalistischen und schriftstellerischen Versuche. Auf einer Geschäftsreise in Paris 1848 vom Ausbruch der Revolution überrascht, ging die Leidenschaft und Ruhmsucht mit Otto v. Corvin durch. Obwohl er schärfer als andere die persönlichen Schwächen der deutschen „Revolutionshelden“ und die Unausgegorenheit von deren Vorstellungen sah, glaubte er nun eine wichtige Rolle in Militär wie Politik spielen zu können.

Corvin war stets bereit, eine Rolle als fachkundiger militärischer Berater und Organisator zu übernehmen, wenn man ihm im Gegenzug einen angemessenen Rang bot. Geld, obwohl er nie genug davon besaß, lockte ihn kaum. Selbst seine von einem badischen Standgericht verhängte Todesstrafe verdankte Corvin einzig seiner Ruhmsucht.

Nachdem er bis Juni 1849 in der badischen Revolution keine angemessene Rolle spielen durfte, bot sich ihm plötzlich die Möglichkeit, Chef des Generalstabs der von den Preußen belagerten und von 5.600 revolutionären Kämpfern verteidigten Festung Rastatt zu werden. Energiesprudelnd und kenntnisreich nahm sich der preußische Ex-Militär seiner Aufgabe sofort an, nur um wenige Wochen später in völlig aussichtsloser Lage die Kapitulation der Festung anzuraten. Er geriet anschließend in Gefangenschaft als nunmehr namhafter Revolutionär unters Standrecht.

Obwohl Zeitzeugen seine Verteidigungsrede als ein Meisterwerk an Logik und Emotion bezeichneten, ereilte ihn trotzdem das Todesurteil. Nachdem sich Corvin, wie immer jeder Zoll ein Gentleman, gerade auf den nahen Tod vorbereitete, ereilte ihn in letzter Minute die unerwartete Amnestie. Diese Begnadigung, sie sollte im nachrevolutionären Baden eine große Ausnahme bleiben, begründete unter den „Demokraten“ seinen Ruf als „Verräter“.

Trotzdem mußte der stets auf elegante Erscheinung achtende Corvin noch sechs lange Jahre als Zuchthäusler (mit geschorenem Kopf, Zuchthauskittel und täglicher Arbeitspflicht) in Baden abbüßen, ehe man ihn unter Auflage der Auswanderung nach Amerika freiließ. In den USA betätigte sich Corvin wie zuvor wieder journalistisch und wurde amerikanischer Staatsbürger. Während des Bürgerkriegs avancierte er zwar zum Colonel, doch brachte er es über einen Posten in der Rechnungsprüfung im Kriegsministerium nicht hinaus.

Eine späte Genugtuung war es ihm, als er 1871 in einem Gespräch mit Reichskanzler Bismarck angeblich von diesem gesagt bekam, wie wunderlich das Schicksal sei. Ihn, Bismarck, hätten dieselben Ideen wie Corvin auf seinen Posten geführt, und mit Corvin sei es ganz anders gegangen. Otto von Corvins scharfzüngig-polemisches, kirchenfeindliches Werk „Der Paffenspiegel“ hat seinen Tod lange überdauert und wird heute noch verlegt und gelesen.

Irmgard Stamm: Der „Verräter“, der begnadigt wurde. Otto von Corvin (1812–1886) und die Revolution in Baden. Aquensis Verlag, Baden-Baden 2012, gebunden, 268 Seiten, 16,80 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen