© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/13 19. Juli / 26. Juli 2013

Gewerkschaft als Konzern
Rüdiger Hachtmann über die Deutsche Arbeitsfront
Uwe Ullrich

Vielen dürfte bekannt sein, daß die Deutsche Arbeitsfront (DAF) die Nachfolgeorganisation der vielfältig politisch und religiös ausgerichteten Gewerkschaften im Jahr der Machtübertragung an Hitler war. Kaum zur Kenntnis genommen wurde indes, daß nebenher ein Mischkonzern mit bis zu 200.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von etwa zwei Milliarden Reichsmark entstanden war.

In elf recht unterschiedlich umfangreichen Kapiteln stellt Rüdiger Hachtmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam, das Wirtschaftsimperium der DAF vor. Seine Bestandteile sind zwischen Banken und Versicherungsgruppen angesiedelt. Gleichfalls wirft er den Blick auf dazugehörige Genossenschaften und das Personalwesen, um im Schlußkapitel deren „Spuren nach 1945“ zu verfolgen.Mit annehmbaren Vermutungen argumentiert Hachtmann, daß die „Führung um Robert Ley die Arbeitsfront zu einem ‘Staat im Staate’ machen wollte, um das ‘Dritte Reich’ von innen heraus zu beherrschen“. Die Basis dafür entstand aus dem „übernommenen“ Vermögen der Vorgängerunternehmen.

Die grundsätzliche und zentrale Aufgabe der DAF war nach Hitlers Willen der Aufbau einer „wirklichen Volks- und Leistungsgesellschaft aller Deutschen“. Adressat des Wunsches war die politisch heterogene Arbeiterschaft. Zum Teil hatte sie den Hauptfeind der NSDAP vor 1933 ausgemacht: Sozialdemokraten und Kommunisten. Es galt, schrittweise nationalsozialistische Werte in den proletarischen Schichten zu verankern, wobei mit attraktiven Kultur- und Freizeitangeboten die oft triste Gegenwart schmackhaft gemacht werden sollte. Zudem hatte die DAF neue Wohnungen, Versicherungen oder Konten zu günstigen Konditionen, preiswerte Bücher und die Aussicht auf den Erwerb des Volkswagens aufzubieten.

Archivarische Überlieferungen sind mangelhaft, da bedeutende Teile der DAF-Aktenbestände während der Bombardierung Berlins und Hamburgs verbrannten und vor Kriegsende Angestellte Dokumente gezielt vernichteten. Rüdiger Hachtmann konnte allerdings den Schriftwechsel mit Ministerien und anderen staatlichen und parteiinternen Dienststellen für seine Untersuchung heranziehen.

Rüdiger Hachtmann: Das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront 1933–1945. Wallstein Verlag, Göttingen 2012, gebunden, 710 Seiten, Abbildungen, 49,90 Euro

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