© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/13 19. Juli / 26. Juli 2013

Mit Witz und Verstand gegen den Strom
Der Münsteraner Professor Ulrich van Suntum erläutert auf Youtube mit feiner Ironie brennende ökonomische Fragen
Christian Schwiesselmann

Eine Baseballkappe auf dem Kopf, dazu ein legeres T-Shirt. Die Webcam zeigt einen schon ergrauten Herrn mit westfälischem Zungenschlag. So lässig lädt der Münsteraner Ulrich van Suntum die Netzgemeinde zum Privatissimum auf Youtube ein.

In kaum zehnminütigen Videoclips erklärt der Professor für Volkswirtschaftslehre seinem Laienpublikum, warum Mietpreisbremsen nicht funktionieren, Mindestlöhne ökonomisch eher schädlich, Miethaie nicht gefährlich und Nahrungsmittelspekulanten nicht per se böse sind.

Mit feiner Ironie und bunten Powerpoint-Präsentationen entlarvt er geschönte Gewerkschaftsstatistiken oder ketzert gegen regierungs- und parteienamtliche Euro-Propaganda.

Mindestlöhne hält der 1954 in Hamm geborene ehemalige Wirtschaftsweise schlichtweg für „Unfug“. Dadurch würden nicht nur Arbeitsplätze vernichtet, sondern auch der Lebensstandard vieler Familien gesenkt. Völlig sinnlos sei die branchenmäßige Differenzierung. Statt dessen plädiert van Suntum für Kombilöhne, die keine Subventionierung von Unternehmen bedeuteten. So viel Rigorosität stößt im Internet natürlich auch auf Kritik. Das „neoklassische Marktmodell“ sei auf den Arbeitsmarkt nur sehr bedingt anwendbar“, kontert der User „Blackfire2700“ in einem Online-Kommentar. „Hlfirebull“ echauffiert sich: „Das ist mit Abstand der unseriöseste Schwachsinn.“

Van Suntum antwortet auf seine Art und legt ein Video mit dem Titel „Mindestlohn II (für Besserwisser)“ nach. Darin setzt er sich mit den gängigen Einwänden der Mindestlohnbefürworter auseinander, die anormale Arbeitsangebotskurven, Angebotsmonopole der Arbeitgeber oder Kaufkrafteffekte von Lohnerhöhungen unterstellen. Für van Suntum empirisch unhaltbar. Negative Kosten- und Kapitalstockeffekte auf der Arbeitgeberseite überwögen den fraglichen positiven Konsumeffekt staatlich verordneter Lohnsteigerungen auf der Arbeitnehmerseite.

In einem anderen Video entzaubert van Suntum die linke Legende vom gierigen Miethai. Nicht die Vermieter seien die eigentlichen Preistreiber, sondern der Gesetzgeber. Ein ständig verschärfter gesetzlicher Mieterschutz und permanent steigende Energiekosten senkten eben die Anreize für Vermieter, in neuen Wohnraum zu investieren. Van Suntum, der am Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen der Uni Münster lehrt, glaubt durchaus nicht an die Mietpreisbremse, die beispielsweise Anfang der achtziger Jahre in Österreich praktiziert wurde.

Auch der soziale Wohnungsbau münde am Ende in Ablösesummen, Fehlbelegung und Ghettobildung. Als marktwirtschaftliche Instrumente staatlicher Wohnungspolitik seien lediglich das Wohngeld oder die Vergabe von Belegungsrechten vertretbar.

Das didaktische Talent van Suntums blitzte bereits beim Münsteraner Science Slam im Januar 2012 auf. Er erzählte die „kurze Geschichte einer Währungsunion“ in sieben Minuten anhand der drei fiktiven Inseln der Teutonos, Dimitros und Luigis (ebenfalls auf Youtube verfügbar). Die drei Inseln tauschen friedlich ihre Güter aus, bis die Dimitros und Luigis auf die Idee kommen, ihre Währungen Drachmo und Liros zu inflationieren. Sie überzeugen die Teutonos, ihre T-Mark aufzugeben und die Gemeinschaftswährung Solido einzuführen. Eine UZB soll für Währungsstabilität sorgen. Schließlich wird die Notenpresse angeworfen: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann drucken sie noch heute“, beendet der Erzähler das schauerliche Märchen einer gescheiterten Gemeinschaftswährung.

Sein augenzwinkerndes Motto lautet: „Ähnlichkeiten mit realexistierenden Währungsunionen sind unbeabsichtigt, aber nicht unbedingt rein zufällig.“

Die Videoclips van Suntums bezeugen nicht nur die stupende Beredsamkeit, sondern auch den trockenen, hintergründigen Humor eines Hochschullehrers, der in seinem akademischen Lebenslauf den Besitz eines Hundes, zweier Hasen und Meerschweinchen vermerkt hat.

Daß dieser dabei nicht die Vermarktung eigener Bücher wie „Die unsichtbare Hand: Ökonomisches Denken gestern und heute“ vergißt, spricht für den Anhänger einer freiheitlichen Marktordnung.

www.youtube.com

 Foto: Ulrich van Suntum entzaubert via Internet auch die Euro-Enthusiasten: „Die Währungsunion ist ein gescheitertes historisches Experiment“

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