© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/13 / 02. August 2013

Jürgen Trittin
Vergeben und vergessen
Rolf Dressler

Nein, er bringt sich tunlichst nicht selbst ins Spiel. Gleichwohl darf man annehmen, daß Jürgen Trittin sich ungemein geschmeichelt fühlt, wenn viele sich den Grünen-Vormann gut und gern sogar als Vizekanzler in einer künftigen Koalition neben CDU-Regierungschefin Angela Merkel vorstellen können. Und das breite Wählervolk findet offenbar längst nichts mehr dabei. Sofern überhaupt bekannt, sind Trittin seine etwaigen „Jugendsünden“ – wie bei Linken traditionell gang und gäbe – längst gnädig vergeben und vergessen.

Praktisch niemanden in der heutigen Klientel der sogenannten Ökopartei schert auch nur im geringsten, was der Altkommunist Jürgen Trittin so alles vom Stapel ließ. Wie zum Beispiel solch ätzende Bekennersprüche: „Deutschland verschwindet jeden Tag immer mehr – und das finde ich einfach großartig!“ und: „Noch nie habe ich die deutsche Nationalhymne mitgesungen, und ich werde es auch als Minister nicht tun!“ Daraus spricht derselbe Ungeist wie aus dem Munde der Grünen-Lautsprecherin Claudia Roth, die sich zu der höhnischen Bemerkung verstieg, „deutsch“ und „Deutschland“ stehe für Militarismus, Großmannssucht und provinzielle Engstirnigkeit zugleich, sei zutiefst „negativ besetzt“ und müsse daher schleunigst und ein für allemal „über Bord geworfen werden“.

In seiner Studentenzeit beteiligte sich der glühende Marxist Trittin bezeichnenderweise auch schon mal an so beliebten frisch-fröhlichen Aktionen wie etwa jener, bei der das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland unter Pfeifen und Johlen symbolisch in der Weser versenkt wurde. Aber nicht einmal daran ist von heutigen CDU- oder CSU-Politikern ein deutliches Wort der Kritik oder gar der klaren Distanzierung zu hören – Angela Merkel eingeschlossen. Das würde die munteren Gedankenspiele gerade auch über eine schwarz-grüne Koalition im Bund nur unnötig stören.

In einer Besprechung von Joschka Fischers Buch „Mein langer Lauf zu mir selbst“ befand Volker Zastrow in der FAZ einst ironisch-augenzwinkernd, inzwischen sei der Grünen-Übervater Joschka Fischer „nach Konrad Adenauer, Dieter Bohlen und Jesus ... der beliebteste Deutsche“. So weit wird Jürgen Trittin es wohl nicht bringen. Zum Vizekanzler könnte es jedoch durchaus reichen. Wenn die Schwarzen mitspielen.

 

Rolf Dressler war langjähriger Chefredakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld und ist nun freier Journalist.

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