© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/13 / 09. August 2013

Die heimliche Lobby
Gut getarnt nehmen Netzwerke abseits der Öffentlichkeit Einfluß auf die Politik – mit Folgen für uns alle
Michael Paulwitz

Lobbyisten haben leichtes Spiel mit deutschen Parlamentariern und Exekutivbürokraten. Karrierismus und überzeugungsfreie Angepaßtheit angehender und wohlsituierter Berufspolitiker leistet der organisierten externen Einflußnahme ebenso Vorschub wie die zunehmende parteipolitische Okkupation und Instrumentalisierung der öffentlichen Dienste.

Überholt ist das Klischee vom Lobbyisten als grauem Industrieverbandsemissär mit Anzug und Aktentasche, der offen die Interessen seiner Branche vertritt: EU-, Grün- und Randgruppenlobbyisten manipulieren unsere Funktionseliten – und damit unser Dasein – in vielfältiger Tarnung, aber dafür um so einschneidender und dauerhafter.

Abgeordnete, so die schöne Verfassungstheorie, sollen allein ihrem Gewissen verantwortlich sein. Da liegt es nahe, sich beizeiten darum zu bemühen, mit Karrierehilfestellungen und Netzwerkangeboten eben jenes Gewissen in die gewünschte Form zu schnitzen. Von der „Atlantik-Brücke“, die in ihrem Portfolio US-Interessen gewogene Polit-Stars aller etablierten Parteien von Guttenberg bis Göring-Eckardt hält, hat der eine oder andere schon gehört. Daß es Beratungsfirmen gibt, die höchst effektiv und unauffällig EU-Lobbyisten anwerben und plazieren, die sich der Aushöhlung nationaler Souveränitätsrechte durch den Kommissions-Zentralismus nicht widersetzen werden, kann man in dieser Zeitung nachlesen (siehe Seite 7).

Jungpolitiker, die sich noch in der Ausbildung für eine Karriere als Berufspolitiker entschieden haben, sind für solche Verlockungen besonders anfällig. Machen sie später Karriere, müssen sie versorgt werden. Mandate und Jobs in den Parteiapparaten machen die eigengesetzlich anwachsenden Parteisoldatenheere schon lange nicht mehr satt; ein Ausweg ist die Politisierung der Verwaltungen und Ministerialbürokratien.

Auch in tieferen Hierarchieebenen werden immer mehr Posten politisch besetzt. Das unterminiert die einst in Deutschland hochgeschätzte professionelle Unabhängigkeit der Verwaltungen von politischen Schwankungen. Schwindender handwerklicher Sachverstand ist die Folge, ablesbar an schlampigen Gesetzentwürfen, die regelmäßig vor Gericht scheitern und nachgebessert werden müssen. Gern nimmt man da externe Hilfe in Anspruch, bis hin zur komplett im Lobbyistenbüro entstandenen Vorlage.

Oder man holt den Lobbyisten gleich direkt ins Haus, wie die frischgewählte grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg 2011 den dubiosen Schweizer Bildungsunternehmer Peter Fratton, der maßgeblich am ideologischen Prestigeprojekt Gemeinschaftsschule mitschreiben durfte. Fratton mußte gehen, nicht zuletzt weil die FAZ der vom Regierungsapparat komplett ausgebremsten Pädagogikwissenschaft des Landes ein Forum gegeben und kritische Debatten ausgelöst hatte; die Demontage des einst vorbildlichen dreigliedrigen Schulsystems im Südweststaat geht indes weiter, begünstigt durch ein mediales Umfeld, das wiederum maßgeblich von jahrzehntelanger schulpolitischer Lobbyarbeit geprägt ist.

Man übertreibt wohl nicht, wenn man beispielsweise der OECD, der scheinbar seriösen, internationalen und überparteilichen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, massive Lobbyarbeit für Ganztags-, Gesamt- und Inklusionsschulen unterstellt. Auf jede Schulstudie der OECD oder einer der unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Objektivität flankierenden Wirtschaftseinrichtungen wie der Bertelsmann-Stiftung folgt unfehlbar das geflissentlich medial transportierte Einheitsschul-Mantra.

Internationale Institutionen wie die EU sind aufgrund fehlender Transparenz und demokratischer Kontrolle ideale Tummelplätze für Lobbyisten aller Art. Keineswegs nur für Verbandsvertreter, deren Handwerk in geschlossenen Gesprächskreisen und Expertenrunden ideale Bedingungen vorfindet.

„Gender Mainstreaming“, „Antirassismus“ oder Homosexuellenbewegung, die man noch vor einer Generation als radikalideologische Exoten belächelt hatte, verfügen über in den Apparat integrierte, gut getarnte Lobbystützpunkte, mit denen europaweit politische Maßstäbe mit Gesetzeskraft durchgesetzt werden können, an denen in den Nationalstaaten niemand vorbeikommt. Vom Brüsseler Kommissionsapparat selbst weiß man, daß er nicht nur Propaganda- und Zensurkompetenzen zur Ausgrenzung von „Euroskeptikern“ aus der öffentlichen Meinungsbildung anstrebt, sondern schon seit langem gezielt ihr gewogene Journalisten hätschelt und mit Privilegien füttert, während kritische Berichterstatter draußen vor der Türe bleiben.

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Nicht der Lobbyismus an sich ist verwerflich; Interessen zu formulieren und dafür zu werben gehört in einem freiheitlich verfaßten Staat notwendig zur demokratischen Willensbildung dazu. Gefährlich für die Freiheit wird es, wenn Lobbyismus nicht mit offenem Visier, sondern unter der Tarnkappe staatlicher oder wissenschaftlicher Neutralität daherkommt.

Wenn Behörden selbst zu Lobbyisten werden wie das Umweltbundesamt mit seiner einseitigen Fixierung auf die Verfechter der Ideologie vom menschengemachten Klimawandel; wenn Lobby- und Partikularinteressen wie „Multikulturalismus“ oder „Kampf gegen Rechts“ zur Staatsideologie mit Alleingültigkeitsanspruch gemacht werden; wenn Medien in ihrem Wächteramt versagen, indem sie sich selbst instrumentalisieren lassen und zwar die „Atomlobby“ verteufeln, aber von der „Solarlobby“ schweigen, deren Treiben einigen wenigen feudale Schlösser am Rhein und Millionen Bürgern horrende Zusatzabgaben auf ihre Stromrechnung einbringt.

Es ist höchste Zeit, unseren Blick auf den Lobbyismus in Staat und Gesellschaft grundsätzlich neu zu justieren.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen