© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/13 / 09. August 2013

Bürgerkrieg in Syrien
War das nicht abzusehen?
Herbert Ammon

Seit zwei Jahren herrschen in Syrien Zustände, die man anfangs als demokratische Rebellion bezeichnete, jetzt als „Bürgerkrieg“. Der Begriff ist zutreffend, sofern darunter der von Thomas Hobbes beschriebene „Naturzustand“ gemeint ist: Der Krieg aller gegen alle. Schon Hobbes proklamierte als friedliches Gegenbild die civil society. Er meinte damit indes nicht das heutige Idealbild der „Zivilgesellschaft“, sondern den „Leviathan“, den durch Vertrag mit absoluter Autorität zur Rechts- und Friedenswahrung ausgestatteten Staat.

Daß Assads alawitisches Minderheitstregime vor Ausbruch der Rebellion wenig mit rechtsstaatlicher Ordnung zu tun hatte, steht außer Frage. Zu diskutieren bleibt das Maß der Repression, das er insbesondere gegenüber den Muslimbrüdern, die seit dem von Assad senior 1982 verübten Massaker auf Rache sannen, exerzierte.

Die Unterdrückung der vom „arabischen Frühling“ inspirierten Proteste im März 2011 mündete in einen offenen Aufstand, genährt von Waffen der Saudis und des Emirs von Katar. Die sunnitische Rebellion zog den Krieg aller gegen alle nach sich, zwischen den Mahlsteinen die Christen. Iran unterstützt den heterodoxen Glaubensbruder in Damaskus, schickt vom Libanon aus die schiitische Hisbollah aufs Schlachtfeld. Aus der Türkei treffen alewitische Kämpfer ein, während Erdogan, teils offen, teils CIA-operativ verdeckt, die „gemäßigten Kräfte“ unterstützt.

Da will der „Westen“ nicht abseits stehen: Mal ruft der Sozialist Hollande, menschenrechtlich bewegt, zu den Waffen, mal der Tory Cameron, zuletzt Obama.

War der Gang der Dinge nicht abzusehen? Im Hinblick auf die unkalkulierbaren Opferzahlen stellt der Hamburger Strafrechtler und Rechtsphilosoph Reinhard Merkel die Frage nach der Legitimität der Rebellion und des – nicht erst seit dem Irak-Krieg 2003 – praktizierten „demokratischen Interventionismus“. „Die halbwegs vernünftige Erfolgssaussicht eines solchen Unternehmens ist mehr als ein pragmatischer Gesichtspunkt.“ Der Autor will seine Position unterschieden wissen von den „Trompetern (Trompethikern) der ‘Realpolitik’“.

Warum eigentlich? Sofern nicht als Freibrief zu nackter Amoral mißverstanden, ist Realpolitik nichts anderes als verantwortungsethisch abwägendes Handeln.

 

Herbert Ammon lebt als Historiker und Publizist in Berlin.

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