© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/13 / 09. August 2013

Man kennt sich, man hilft sich
Ein Insider packt aus: Wie ehemalige JU-Funktionäre verdeckte Lobbyarbeit für Brüssel in der eher EU-skeptischen CSU betreiben sollen
Hinrich Rohbohm

Droht der CSU eine Unterwanderung durch EU-Lobbyisten? Das jedenfalls behaupten einige Funktionäre der Christsozialen. Und schlagen gegenüber der JUNGEN FREIHEIT Alarm.

Demnach soll ein weitverzweigtes Netzwerk von ehemaligen JU-Funktionären dafür sorgen, Widerstand und Kritik innerhalb der CSU an der Europäischen Union einzudämmen.

Berechtigte Kritik oder will da jemand versuchen, alte innerparteiliche Rechnungen zu begleichen? Fakt ist: Die CSU wird bei vielen konservativen Wählern als letztes Bollwerk der Vernunft gegen die EU-Rettungspolitik wahrgenommen. Andererseits knickte sie in zentralen EU-politischen Fragen der letzten Jahre immer wieder ein. Beispielsweise im Frühjahr 2012, als die CSU sich zunächst der Zusammenlegung der EU-Rettungsschirme verweigerte. Von einer „roten Linie“ war die Rede, die nicht überschritten werden dürfe. Die Linie wurde zum Gummiband. Einen Monat zuvor hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich noch einen Vorstoß zu einem freiwilligen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone erwogen. Wenig später stimmte er dem zweiten milliardenschweren Rettungspaket für Griechenland zu, bezeichnete es als „beste Alternative“. Auch bei der Diskussion um den Lissabon-Vertrag hatte die christsoziale Führung zunächst Widerstand angekündigt, ehe sie im September 2009 den EU-Begleitgesetzen im Bundestag zustimmte.

„Beide Unionsparteien sind seit den neunziger Jahren stark von EU-Lobbyisten unterwandert“, nennt K. den Grund dafür. Namentlich möchte sich der CSU-Funktionär nicht äußern. Zu brisant sei das Thema. Zu viel habe er mitbekommen, um zu wissen, daß Lobbyunternehmen äußerst ungemütlich werden können, wenn sie aus ihrer bevorzugten Verschwiegenheit ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit gezogen werden. Besonders in dem Fall, den K. einst miterlebt hatte und der Anfang der neunziger Jahre seinen Anfang nahm.

  „Soll ich dich mitnehmen?“ fragt damals ein Unternehmer aus seinem Wagen heraus einen jungen, ambitionierten Funktionär der Jungen Union (JU). Der Student zeigt sich überrascht. Und erfreut. Gerne nimmt er die angebotene Wegverkürzung an. Erst recht in einem so attraktiven Nobelfahrzeug. Die Männer plaudern während der Fahrt. Sie kennen sich. Aus der Politik. Beide sind in der JU aktiv.

Der Fahrer des Oberklassewagens hat eine eigene Firma. Über die er besonders in Kreisen der Jungen Union Bayern lange und gerne spricht. Er gehört dort dem Landesvorstand an, wirkt als Schatzmeister. Zu JU-Versammlungen fährt er mit teuren Autos vor. Auf Sitzungen zündet er sich schon mal eine kubanische Cohiba-Zigarre an und läßt Umsatzzahlen über sein Unternehmen verteilen.

Sein Mitfahrer ist ebenfalls auf JU-Landesebene aktiv. Er studiert, ist ambitioniert, strebt eine politische Karriere an. Im Gegensatz zu seinem Fahrer verdient er nicht das große Geld. Noch nicht. „Was machst du eigentlich so? Wie finanzierst du dein Studium? Suchst du einen Job?“ fragt ihn der Unternehmer. Bejaht der Student letztere Frage, dürfte er ein verlockendes Angebot erhalten. „Du kannst bei mir anfangen“, schlägt der Firmeninhaber vor. Die Aufgabe: Kontakte zu Politikern herstellen, sie mit Interessenvertretern aus der Wirtschaft bekannt machen. Und damit Geld verdienen. Für studentische Lebensverhältnisse viel Geld.

Sinngemäß soll es sich K. zufolge so Mitte der neunziger Jahre zugetragen haben, als der Chef der Münchner Beratungsfirma Eutop, Klemens Joos, als Landesschatzmeister der Jungen Union Bayern fungierte und gleichzeitig versucht habe, JUler für die Mitarbeit in seinem Unternehmen zu gewinnen.

„Joos galt damals im JU-Landesvorstand als graue Eminenz. Er hat sich im Laufe der Jahre ein gewaltiges Netzwerk aus zumeist CSU-nahen Jungpolitikern aufgebaut“, erklärt K. Jungpolitiker, von denen nicht wenige heute als Landtags-, Bundestags- und Europaabgeordnete in den Parlamenten sitzen. Und von denen laut K. so mancher noch heute Lobbyarbeit für Eutop betreiben soll.

Joos hatte die Firma 1990 gegründet. Auf ihrer Internetseite wird das Unternehmen als Interessenvertreter „von privaten Unternehmen und Organisationen bei den Institutionen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten“ beschrieben. Wo die „Strukturen der europäischen Entscheidungsfindung“ für Unternehmen „zunehmend undurchschaubar“ geworden  sind, helfe Eutop durch „vielfältige Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern“, die Anliegen seiner Kunden in die  Entscheidungsprozesse der EU und seiner Mitgliedsländer einzubringen.

Eine Art von Interessenvertretung, die legitim sei, meint gegenüber der JF auch ein ehemaliges JU-Landesvorstandsmitglied, das Joos noch aus seiner aktiven Nachwuchspolitiker-Zeit her kennt. „Daß jemand Lobbyarbeit betreibt und dazu politische Kontakte nutzt, ist ja nichts Verwerfliches, das machen viele.“ Oftmals sei es sogar ratsam, Politiker auf Entwicklungen und Probleme einer Interessengruppe aufmerksam zu machen.“ Bei Joos habe jedoch die nötige Transparenz gefehlt. Welcher Politiker auf dem Gehaltszettel von Eutop stehe, sei meist weder dem Wähler noch der Parteibasis bekannt.

Zudem habe Joos sein Amt als JU-Schatzmeister eng mit seinem Unternehmen verknüpft. „Das ging so weit, daß er JU-Funktionäre, die für ihn arbeiteten, rhetorisch schulen ließ“, erinnert sich der Ex-Landesvorständler. Anschließend hätten diese Leute Überzeugungsarbeit für von Joos bevorzugte Themen und Kandidaten betrieben. Eine Lobbyfirma wie Eutop finde in Bayern ideale Bedingungen vor. „Weil die CSU bei uns normalerweise nahezu jeden Wahlkreis gewinnt, kann sich fast jeder Landtags- oder Bundestagskandidat sicher sein, gewählt zu werden“, erklärt K. Deshalb sei es für Eutop von hohem Interesse, innerhalb der CSU eigene Mitarbeiter als Kandidaten in Stellung zu bringen.

„Da entstanden dann schnell gewisse Abhängigkeiten“

Zielgruppe seien vor allem jene Funktionäre gewesen, die sich noch im Studium befanden, Geld brauchten und eine Karriere in der Politik anstrebten. „Joos hat ihnen all das verschafft“, erklärt K. Gefälligkeiten, für die offenbar Gegenleistungen erwartet wurden.

„Da entstanden dann schnell gewisse Abhängigkeiten“, meint auch der ehemalige JU-Landesvorständler. „Das läuft dann nach dem Prinzip: Ich habe dir damals mit einem Job in meiner Firma geholfen, jetzt mußt du mir bei einer Sache helfen.“

Nicht jedem habe das behagt. „Es kann doch nicht angehen, daß die Politik in der Jungen Union mit einem Unternehmen verquickt wird“, habe sich so mancher JU-Funktionär in den neunziger Jahren empört.

Viele der einstigen JU-Nachwuchspolitiker aus den neunziger Jahren haben es inzwischen in die Schaltstellen der großen Politik geschafft. Daß Klemens Joos mit seinem Unternehmen bei so mancher Karriereplanung nachgeholfen habe, davon sind seine einstigen Weggefährten überzeugt. Etwa beim bayerischen Finanzminister Markus Söder. Bei seiner Wahl zum JU-Landesvorsitzenden 1995 sei er nicht unumstritten gewesen. Gleich mehrere Bezirksverbände hatten seine Wahl verhindern wollen. Söder setzte sich in einer denkbar knappen Kampfabstimmung durch. „Die nötigen Stimmen zur Mehrheit hatte ihm Klemens Joos besorgt“, erinnert sich ein damaliger Landesdelegierter an die Machtkämpfe innerhalb der JU. 

Der Vorwurf an den Eutop-Geschäftsführer: Mit Hilfe von Mittelsmännern, die damals bereits als Studenten für sein Unternehmen arbeiteten, habe Joos dafür gesorgt, daß Söder die entscheidenden Stimmen zur Mehrheit erlangt habe. Unter anderem soll es sich dabei um die einstigen JUler Roberto Fleissner und Michael Kraess gehandelt haben, die heute für das Lobby-Unternehmen Concilius AG tätig sind. Auch der heute für die BMW AG tätige Alexander Bilgeri habe zu den Mittelsmännern gezählt. „Von einer geheimen Wahl konnte damals keine Rede sein“, behauptet der Ex-Delegierte.

Söder habe im Netzwerk von Joos eine gewichtige Rolle gespielt, sei auf der politischen Karriere-Leiter beständig weiter aufgestiegen. Pikant: Fleissner, Kraess und Bilgeri sollen nach Informationen der Joos-Kritiker damals nicht nur für Eutop, sondern gleichzeitig auch in der JU-Landesgeschäftsstelle für Markus Söder gearbeitet haben. Söder wiederum habe Joos seinerzeit in seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter zahlreiche Kontakte zu weiteren Abgeordneten sowie zur Bayerischen Staatsregierung ermöglicht. „Als Joos heiratete, war das halbe bayerische Kabinett auf der Hochzeit vertreten“, erinnert sich ein Weggefährte von Joos.  Auch der heutige Vorsitzende der CSU-Europagruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, soll nach Informationen der JF seinen politischen Aufstieg Klemens Joos zu verdanken haben. „Durch Joos wurde Ferber JU-Bezirksvorsitzender in Schwaben“, erinnert sich ein ehemaliger JU-Aktivist aus dem betreffenden Bezirksverband. Der JU-Bezirksvorsitz sei das „Ticket“ gewesen, über das Ferber 1994 einen sicheren CSU-Listenplatz für das Europaparlament erhalten habe.

Joos habe sich im Rahmen der Listenaufstellung für ihn stark gemacht, habe damit argumentiert, daß sichere Plätze für JU-Bewerber geschaffen werden müßten, um die Partei zu verjüngen. Als Vorsitzender der CSU-Gruppe im Europaparlament habe Ferber Joos vor allem in Brüssel zahlreiche „Türen öffnen“ können.

Auf Nachfrage der JF widerspricht Ferber der Darstellung, Joos habe ihn protegiert. Jene in der CSU, die ihn im Zusammenhang mit Eutop nennen, seien „nicht sehr gut informiert.“ Ferber: „Das Gegenteil ist richtig. Trotz Herrn Joos und nicht wegen Herrn Joos ging ich meinen politischen Weg.“ Zudem habe „niemals eine Zusammenarbeit, weder früher noch heute“ mit Eutop  bestanden.  

Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein soll einst für Eutop gearbeitet haben. Joos habe ihn damals „in Stellung gebracht“, um die Nachfolge von Theo Waigel in dessen Bundestagswahlkreis anzutreten. Der heutige Landrat des Landkreises Augsburg und ehemalige CSU-Landtagsabgeordnete Martin Sailer sei von Joos als Nachfolger von Markus Söder als JU-Landesvorsitzender ins Spiel gebracht worden, unterlag jedoch knapp dem heutigen Europaabgeordneten Manfred Weber.

Der einstige Generalsekretär der CDU Nordrhein-Westfalen Hendrik Wüst war früher für Eutop tätig. Wüst, der 2010 in die Kritik geraten war, weil er Zusammenkünfte zwischen Interessenverbänden und Unternehmen mit dem damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers gegen Geldzahlungen in Höhe von 6.000 Euro pro Gespräch  organisiert hatte, sei für Joos der Ansprechpartner im bevölkerungsreichsten Bundesland gewesen.

Der Christdemokrat geht mit seiner einstigen Tätigkeit für Eutop offen um. In den Jahren 2004 und 2005 habe er als Syndikus für das Unternehmen gearbeitet, erklärt er auf JF-Anfrage. Seit er wenig später Landtagsabgeordneter wurde, sei er nicht mehr für die Firma  tätig, sagt Wüst.

Auch die CSU-Leute Florian Hahn, Andreas Scheuer und Gerhard Tropp sollen zeitweise für Joos tätig gewesen sein. Hahn und Scheuer gehören heute dem Bundestag an. Tropp wurde persönlicher Referent des früher einmal äußerst EU-skeptischen bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Landesvorsitzenden Edmund Stoiber. „Sämtliche Kontakte zum Parteivorsitzenden Stoiber sind damals über den Tisch von Tropp gelaufen“, erklärt K.

Und Bundesaußenminister Guido Westerwelle soll einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge Honorare von mindestens 7.000 Euro von dem Tochterunternehmen Eutop Speaker-Agency GmbH erhalten haben.

Mit dem Gang an die Öffentlichkeit wolle K. seiner Partei keinen Schaden zufügen. Vielmehr wolle er sie wachrütteln. „Gerade in bezug auf die EU-Politik der CSU wird auf unsere Abgeordneten derzeit enormer Druck ausgeübt“, sagt er. Aber: „Die CSU hat so viel für den Aufstieg Bayerns geleistet. Wir dürfen nicht zulassen, daß die Positionen unserer Partei durch solche Methoden der Einflußnahme weiter verwässert werden. Sonst werden wir unglaubwürdig.“

Eutop selbst weist die Vorwürfe der Kritiker entschieden zurück, spricht von „diskreditierenden Mutmaßungen und Unterstellungen“, die unzutreffend seien. Und davon, daß die JF benutzt werden solle, um Eutop Schaden zuzufügen. „Wir hatten zu keinem Zeitpunkt auf den europapolitischen Kurs der CSU Einfluß und wir hatten und haben kein Interesse an einer solchen Einflußnahme“, stellt das Unternehmen gegenüber der JF klar. Es sei eine naive Annahme, daß sich der Willensbildungsprozeß „einer so vielschichtigen, demokratisch erprobten und selbstbewußten Partei von einem Unternehmen oder einer Person lenken ließe“.

Auf Fragen der JF bezüglich der mit Eutop in Verbindung gebrachten Politiker wolle das Unternehmen „im einzelnen“ nicht eingehen. Vieles sei im Laufe der Jahre „schon rein faktisch nicht mehr nachvollziehbar“. Zudem sei man Kunden und Mitarbeitern aus vertraglichen und datenschutzrechtlichen Gründen zur Vertraulichkeit verpflichtet und werde dagegen nicht verstoßen. Das Unternehmen warnt: Gegen verbreitete Unwahrheiten über Eutop werde man mit seinen Anwälten „mit aller gebotenen Nachhaltigkeit“ vorgehen.

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