© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/13 / 09. August 2013

CD: Daft Punk
Schräg, aber nicht uneben
Sebastian Hennig

Das Heldenpaar der elektronischen Tanzmusik nennt sich Daft Punk. Die beiden Franzosen halten seit Jahren das Visier ihrer Sturmhauben aus Kunststoff geschlossen. Eine raffiniert eingefädelte Kampagne hat nun ihr erstes Studioalbum „Random Access Memories“ nach acht Jahren Pause gleich einer Ausgießung des ursprünglichen Geistes der Tanzmusik verkündet.

Die vorab veröffentlichte Single mit dem bezeichnenden Titel „Get lucky“ erweist sich als ein altersloser Hit. Etwas schräg aber nicht uneben, genau die Mischung aus Überraschung und Déjà-vu nach der ein moderner Schlager der Tanzmusik gestrickt sein muß. Die Techno- und Synthiepop-Szene beruft sich gern auf Kraftwerk und Can als ihren Gründungsvätern. Das ist aber nur Ausdruck der Bemühung um einen seriösen Stammbaum. Es gab vereinzelte Zitate in den Songs und Cover-versionen als Hommagen. Aber eigentlich sind die Äpfel sehr weit vom Stamm gefallen.

Daft Punk treffen da mehr ins Schwarze, wenn sie sich auf Nile Rodgers und Giorgio Moroder nicht nur beziehen, sondern den direkten Beistand der Patriarchen der elektronischen Zappel-Mucke auf ihrer neuen Platte vorweisen. Beide Produzenten prägten den Klang der Siebziger und Achtziger und bewirkten mit dem neuen Disco-Sound eine Ablösung des blues-rockigen Image, das die meisten Interpreten bis dahin pflegten. Rodgers produzierte Grace Jones und Diana Ross, nebenbei verhalf er auch schon einer Daft-Punk-Single zum Erfolg. In einem Interview hob er den Unterschied hervor zwischen der überkalkulierten Sound-Tüftelei von Daft Punk und der spontanen Entstehung seiner Hits, deren Material meist in einer Sitzung aufgenommen wurde.

Der Südtiroler Moroder kombinierte in seinem Münchner Studio den lasziven Vokalpart von Donna Summer mit einem federnd-hämmernden Rhythmuscomputer. Die schwarze Sängerin beschwor die körperliche Liebe, bevor die Love-Welle an den Aids-Klippen zerbrach. Daft Punk machen sich nun per musikalischer In-vitro-Fertilisation an die Erzeugung neuen Lebens. Marketing leistete Geburtshilfe.

Der erste Titel des Albums heißt programmatisch „Give Life Back to Music“. In „Giorgio about Moroder“ gibt Hansjörg Moroder über dem Klangteppich dialektreich Auskunft über seine Komponistenlaufbahn. Die Musik dazwischen klingt nach Jam-Session und schließt mit Pianospiel. „Instant Crush“ steigt ganz in die endlosen Synthesizer-Loops des Achtziger-Jahre-Discopop. „Lose Yourself to Dance“ führt diese Linie fort. In „Touch“ klingt dann gar Bigband-Sound an bis hin zu einem Finale mit Streichorchester, über dem der Synthesizer quirlt. Das erinnert an sinfonische Auswüchse des deutschen Krautrocks. Can bedienten sich bereits des Exotismus afrikanischer und asiatischer Sänger, und Jaki Liebezeit wurde gerühmt, daß er monotoner schlug als die Rythmusmaschinen.

So ist auch die Wirkungsweise von „Random Access Memories“. Die Maschine würde irgendwann heißlaufen und klemmen. Die Zusammenführung des gewohnten Gegluckers der Vocoder-verzerrten Stimmen mit dem souligen Gesang des Rappers Pharrell Williams und der Gitarre von Nile Rodgers unterstreicht die Glätte des Klangs.

Daft Punk, Random Access Memories Sony Music, 2013

www.daftpunk.com
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