© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/13 / 16. August 2013

Ägypten
Besser ohne Mursi
Rolf Stolz

Adolf Hitler kam 1933 legal an die Macht. Was wäre Deutschland und der Welt erspart geblieben, wenn alle seine Gegner – linke, liberale und konservative Demokraten, Monarchisten, Kommunisten, Strasser-Leute – sich rechtzeitig zusammengetan hätten, wenn das deutsche Volk rebelliert und gestreikt hätte, wenn die Reichswehr und das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold die Nazis entwaffnet und entmachtet hätten? Wer die damalige feige Tatenlosigkeit, den Streit unter den Oppositionellen und die eitle Hoffnung auf das automatische Abwirtschaften der NSDAP rechtfertigt, der stellt sich auf die Seite der mörderischen Diktatur.

Mohammed Mursi, Ex-Präsident von knapp 85 Millionen Ägyptern, ist kein zweiter Hitler. Aber Mohammed Mursi hat versucht – gestützt auf die Muslimbrüder (1928 gegründet und wenig später schon im Bündnis mit den Braunhemden) und deren salafistische Verbündete –, ein pseudoreligiös-faschistisches Scharia-System zu errichten.

Von der demonstrierenden Mehrheit (20 bis 30 Millionen Menschen am 30. Juni) und der putschenden Armee wurde er aus einem Amt gejagt, an das er nur durch Wahlfälschungen gekommen war. 2012 wurden die Wahllisten kreativ korrigiert, die Staatsdruckerei druckte große Mengen von Wahlzetteln und verteilte sie an Muslimbrüder. Mursi und seine Anhänger hinderten viele Oppositionelle an der Stimmabgabe und drohten mit einem Bürgerkrieg. Die Armee gab schließlich nach, wohl auch unter Druck Washingtons.

Mursi hat nicht allein die Wirtschaft Ägyptens ruiniert (Arbeitslose plus 30 Prozent, Preise plus 40 Prozent). Seine Leute okkupierten den Staatsapparat und brachten Gesetze zur Verheiratung Minderjähriger und zur Aufhebung der Schulpflicht auf den Weg. Kopten, Schiiten, Säkulare wurden als „Feinde des Islams“ attackiert. Zwangsbekehrungen, Zwangsverheiratungen, Morde wurden alltäglich.

Mursi wird beschuldigt, er habe von Obama acht Milliarden Dollar erhalten, weil er in einem Geheimabkommen zustimmte, 40 Prozent des Sinai an die Hamas zur Gründung eines Palästinenserstaates abzutreten. Ist er die verfolgte Unschuld? Hat die Berliner Echo-Truppe um „Mutti“ und „Klein-Guido“ recht mit ihrem Geschrei, den „frei gewählten“ Muslim-Führer wieder in sein Amt zu lassen?

 

Rolf Stolz war einst Mitbegründer der Grünen und lebt heute als Publizist in Köln.

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