© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/13 / 16. August 2013

Wissenschaftler belasten Grüne
Studie zu Pädophile: Entgegen allen Beteuerungen hat sich die Partei einst dafür eingesetzt, Sex mit Kindern zu legalisieren
Felix Krautkrämer

Die Strategie ist geschickt: Als die Grünen bemerkten, daß sich die Debatte über den Einfluß von Pädophilen in der Frühphase der Partei nicht mehr aufhalten ließ, beauftragte der Vorstand den Göttinger Politikwissenschaftler Franz Walter mit einer Untersuchung. Über 200.000 Euro lassen sich die Grünen das Projekt kosten.

Die Taktik dahinter ist klar. Seht her, wir scheuen keine Mühen und Kosten, dieses Kapitel in unserer Vergangenheit aufzuarbeiten. Gleichzeitig gilt die Devise: Nur das zugeben, was ohnehin bekannt ist, ansonsten aber abstreiten, herunterspielen und neue Vorwürfe als Kampagne des politischen Gegners abtun. Gelegen kommt ihnen dabei, daß Walter die Grünen vor einer Veröffentlichung neuer Erkenntnisse informieren muß. Dies tat er auch am vergangenen Wochenende und so traf die Grünen die Montagsausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nicht unvorbereitet.

„Pädophilie-Verstrickungen der Grünen umfangreicher als bislang bekannt“, titelte das Blatt. Ganzseitig präsentierten Walter und sein Mitarbeiter Stephan Klecha erste Ergebnisse ihrer Untersuchung. Demnach hätten sich gleich mehrere Landesverbände in den Achtzigern in ihren Wahlprogrammen die Forderung zu eigen gemacht, Pädophilie aus dem Sexualstrafrecht zu streichen. Dies sei nicht nur in Nordrhein-Westfalen der Fall gewesen, sondern auch in Rheinland-Pfalz, Bremen, Hamburg und Berlin. Zudem hätten sich die Grünen 1980 in ihrem ersten Grundsatzprogramm für eine weitgehende Legalisierung von sexuellen Beziehungen von Erwachsenen mit Kindern ausgesprochen. „Heraus kam ein Beschluß, der nichts anderes verlangte, als die Legalisierung von Pädophilie“, schrieben die beiden Wissenschaftler. Zwar sei im Verlauf der achtziger Jahre unter dem Einfluß von Feministinnen wie Alice Schwarzer und der Distanzierung Homosexueller von der Pädophilenszene die Akzeptanz für die Straffreiheit von sexuellen Beziehungen von Erwachsenen mit Kindern bei den Grünen zurückgegangen. Doch erst 1993, mit der Fusion mit dem „Bündnis 90“, seien die Grünen von dieser Haltung auch formell abgerückt.

Auch wenn die Erkenntnisse den Grünen im begonnenen Wahlkampf alles andere als gelegen kommen, konnte sich die Partei als Auftraggeber der Untersuchung dennoch über einen Persilschein freuen: Da die Grünen „sexualisierte Gewalt“ in ihrem Grundsatzprogramm 2002 als eine „der offensivsten Verletzungen der Menschenwürde“ verurteilten, hätten sie „mit ihrer Vergangenheit unwiderruflich gebrochen“, lobten Walter und Klecha am Ende ihres Artikels.

Einzig der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion und Schwulenaktivist Volker Beck geriet angesichts der neuen Forschungsergebnisse der Göttinger Wissenschaftler in Erklärungsnot. Hatte er doch stets versichert, „niemals“ habe ein Gremium der grünen Bundespartei gefordert, Sex mit Kindern zu legalisieren oder „etwas beschlossen, was auch nur entfernt in diese Richtung ging“. Dem widersprach Klecha vehement: „Hier hat Beck eindeutig unrecht“, sagte er der Bild-Zeitung und ergänzte, beim Thema Sex mit Kindern scheine das kollektive Gedächtnis der Grünen nicht gut zu funktionieren.

Konsequenzen hatte der Fall für Beck nicht. Stattdessen sah sich plötzlich die FDP in Erklärungsnot. Da Walter seine Untersuchung nicht nur auf die Grünen beschränkte, stieß er auch auf die hessische FDP-Bundestagskandidatin Dagmar Döring. Diese hatte sich als Studentin für die Legalisierung von Pädophilie eingesetzt und 1980 in einem Sammelband von sexuellen Handlungen mit einem Mädchen geschwärmt. Von Walter und der FAZ mit den Aussagen konfrontiert, zog Döring ihre Kandidatur zurück. Gleichzeitig betonte sie, ihre Schilderungen seien rein fiktiv gewesen. Ihre politischen Aktivitäten von damals seien aus heutiger Sicht „völlig inakzeptabel“. Daß Döring den Liberalen erst 2007 beitrat, fand dabei allerdings kaum Beachtung. Fast schon schadenfroh konstatierten zahlreiche Medien, die Pädophilie-Debatte habe nun auch die FDP erreicht.

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