© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/13 / 16. August 2013

Sensibel gegenüber Asylanten
Schweiz: Viele Gemeinden stellen sich bei der Unterbringung illegaler Einwanderer quer / „Rassismus“-Probleme wie im Ort Bremgarten als Spitze des Eisbergs
Taras Maygutiak

Nur in Schweden gibt es auf 100.000 Einwohner gerechnet mehr Asylbewerber als in der Schweiz. 596 sind es in Schweden, in der Schweiz stattliche 527 Asylanten, die auf 100.000 Eidgenossen kommen. Derzeit leben in der Schweiz rund 30.000 anerkannte Flüchtlinge, weitere über 43.000 Menschen befinden sich seit Ende Juni im Asylverfahren.

Nicht zuletzt weil sich vielerorts immer wieder Widerstand regt, wenn es um die Aufnahme von weiteren Asylanten geht, gibt es eine neue Regelung: Der Bund kann ohne Zustimmung der Kantone und Gemeinden entscheiden, wo neue Asylunterkünfte eröffnet werden. Vergangene Woche wurde eine solche Unterkunft, die für 150 Personen ausgelegt ist, in einer ehemaligen Kaserne in Bremgarten (Kanton Aargau) deklariert.

Das Schweizer Bundesamt für Migration (BFM) hatte im Vorfeld eine Vereinbarung mit der Stadt Bremgarten geschlossen. Darin hatte die Stadt „sensible Zonen“ bestimmt, die die Asylbewerber nicht betreten sollten. Markiert waren zunächst Sportanlagen, Schulen, Bibliotheken,,Schwimmbäder und Kirchenvorplätze. Der internationale Sturm der Medienentrüstung ließ nicht lange auf sich warten. Der britischen Independent schrieb von „apartheidähnlichen Einschränkungen“. Spiegel online titelte gar „Die Freibad-Rassisten“.

Ob es an dem enormen Druck der Medien lag? Das BFM sprach alsbald von einem „Versehen“. Nur die Schulhäuser und Turnanlage inklusive der Badeanstalt seien als „sensible Zone“ definiert, erklärte Bremgartens Gemeindepräsident Raymond Tellenbach. Alle anderen Gebäude seien „unglücklicherweise“ so markiert worden. In der Vereinbarung zwischen dem BFM und Bremgarten steht fortan: „Das Bundesamt für Migration bestätigt, daß auf Wunsch der Stadt Bremgarten hin, von Montag bis Freitag, 7 bis 18 Uhr, das Betreten der Schul- und Sportanlagen ohne Zustimmung der zuständigen Behörden nicht erfolgt.“ Die Asylanten dürfen die Unterkunft, die von einem privaten Wachdienst kontrolliert wird, nur zwischen 8 und 17 Uhr verlassen.

Von „Freibad-Rassismus“ weit entfernt, läßt das BFM auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT durchblicken: „Es gibt kein allgemeines, präventives Badeverbot, weder in Bremgarten noch in sonst irgendeiner Gemeinde der Schweiz. Die persönliche Freiheit – und dazu gehört selbstverständlich die Bewegungsfreiheit – ist ein verfassungsmäßiges Grundrecht“, betont BFM-Sprecher Michael Glauser: „Die Gemeinde wünscht, daß der Badebesuch vorgängig abgesprochen wird.“ Zulässig sei eine solche Regelung nur für Anlagen, deren Benutzung auch für die Allgemeinheit beschränkt ist, also beispielsweise Schul- und Sportanlagen während der Schulzeit.“

All die Aufregung kann der Nationalrat Luzi Stamm von der rechtsbürgerlichen Schweizerischen Volkspartei, der in der Nähe von Bremgarten wohnt, nicht verstehen: „Wenn ich aus einem Land käme, in dem ich von Folter und Tod bedroht wäre, dann würden mich solche Bedingungen nicht stören“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. Vor allem seien solche Angelegenheiten „immer eine Frage der Menge“. Wenn ein Land eintausend Asylanten aufnehme, könne es natürlich mehr Freiheiten geben als bei 100.000. Daß es nun Befürchtungen in einer relativ kleinen Stadt wie Bremgarten mit knapp 6.000 Einwohnern seitens der Bevölkerung gebe, finde er „begreiflich“.

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