© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/13 / 16. August 2013

Körpermaße der Rekruten zur Zarenzeit: Kein Indikator für Modernität
Es kommt nicht auf die Größe an
(wk)

Der ebenso produktive wie bekannte Petersburger Historiker Boris Mironov hat 2010 eine 900seitige Monographie vorgelegt, in der er anhand umfangreicher Datensätze aus der Periode zwischen 1874 und 1913 nachwies, daß die Körpergröße der russischen Bauern zum Ende der Zarenzeit hin kontinuierlich zugenommen hat. Dies wertete er als Zeichen wachsenden Wohlstands. Jetzt allerdings erschien eine Rezension aus der Feder des Göttinger Rußlandexperten Lutz Häfner, in der heftige Kritik an dem Werk geübt wird (Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 1/2013): „Mironov möchte das schlechte Image des Zarenstaates als Vorläufer der heutigen Rußländischen Föderation aufpolieren“ und das zaristische Rußland als ein ganz normales europäisches Land präsentieren. Dabei sei es unsinnig, die Modernität einer Gesellschaft von der Körpergröße ihrer Mitglieder abhängig zu machen. „Demnach wären die Epochen Peters I. und Katharinas II., in denen Rußland zur europäischen Großmacht avancierte, als Fehlschläge zu deuten, weil die Durchschnittsgröße der Rekruten zurückging.“ Deshalb lautet Häfners Schlußkommentar dann auch: „Am russischen Wesen soll die Welt genesen. So könnte das Fazit der von Mironov präsentierten optimistischen Sicht auf die russische Vergangenheit bis zur Revolution des Jahres 1917 lauten.“

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