© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/13 / 23. August 2013

Sichere Rückzugsräume
Göttingen: Hochburg linksextremistischer Gewalt
Christian Vollradt

Wahlkampf nur unter Polizeischutz, zerstörte Plakate, beschmierte Hauswände, eingeschüchterte Mitglieder: der Göttinger Kreisverband der Alternative für Deutschland (AfD) hat zu spüren bekommen, daß die demokratischen Spielregeln in der südniedersächsischen Universitätsstadt nicht uneingeschränkt gelten (JF 34/13). Mit Unterstützung der Grünen Jugend haben linksextreme Gruppen – allen voran die Antifaschistische Linke International (A.L.I.) – zu „Aktionen“ gegen „Rechtspopulisten und Rassisten“ aufgerufen und die Euro-kritische Partei ins Visier genommen.

Göttingen hat seinen traurigen Ruf als Hochburg gewaltbereiter und gewalttätiger Linksextremisten schon über zwanzig Jahre lang. Und auch das Phänomen, daß Teile der etablierten linken Parteien und Organisationen mit dem extremistischen Rand zusammenarbeiten, ist nicht neu. Für deutschlandweites Aufsehen sorgte die 1990 gegründete „Autonome Antifa M“ (AAM), die sich als „militanter“ Arm der linken Szene verstand und in Form des „Schwarzen Blocks“ bei Demonstrationen erheblichen Sachschaden anrichtete. Bis Mitte der neunziger Jahre geschah dies insbesondere bei den „Conny-Demos“. Anlaß dafür war der Tod der Linksextremistin Conny Wessmann, die 1989 auf der Flucht vor der Polizei von einem Auto überfahren worden war und seitdem Märtyrerstatus hatte.

Doch nicht nur auf Demonstrationen manifestiert sich der Machtanspruch der Antifa; zum „Kerngeschäft“ gehört immer wieder, den politischen Gegner mal offen, mal verdeckt zu attackieren. Das bekam die CDU zu spüren, als sie 1999 ihre Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsangehörigkeit gestartet hatte. Angehörige der Antifa-Szene bedrängten einen Stand der Christdemokraten in der Innenstadt, fotografierten die Unterschriftensammler und versuchten, ihnen die Listen zu entreißen – alles unter der Parole „Kampf dem Rassismus“. Als der RCDS in der Universität den damaligen CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble zum Vortrag geladen hatte, hinderte ein linksextremer Mob den „geistigen Brandstifter“ am Reden.

2004 mußten zwei Hundertschaften Bereitschaftspolizei einen Vortrag des ehemaligen Bundeswehrgenerals Reinhard Günzel bei einer Studentenverbindung schützen, nachdem die Antifa-Gruppe „Aktion und Kritik“ unter der Parole „Nieder mit Deutschland“ gegen die Veranstaltung mobilisiert hatte.

Immer wieder erhält dieser offen extremistische Teil der Linken prominente Unterstützung. Als 1996 Anklage wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen 17 Antifa-Mitglieder erhoben worden war, protestierten in einer „Göttinger Resolution“ zahlreiche Unterstützer gegen diese „Kriminalisierung“. Zu den Unterzeichnern gehörten die beiden damaligen Göttinger Landtagsabgeordneten Hulle Hartwig (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne), die mehrfach an Demonstrationen der Antifa teilgenommen hatten.

Daneben profitiert die linksextreme Szene in Göttingen von einer gewachsenen Infrastruktur. Dazu gehört der Buchladen Rote Straße, der nicht nur ein gutsortiertes Zeitschriftenarchiv bietet, sondern zahlreichen Gruppen als Postanschrift dient. Anlaufpunkt der Szene ist ebenso das Jugendzentrum Innenstadt (JuzI), ein Gebäude im Besitz der Stadt, die Fördergelder von etwa 15.000 Euro zuschießt. Zudem gibt es mehrere Studentenwohnheime, die formal vom Studentenwerk getragen und somit auch von den Pflichtbeiträgen aller Göttinger Studenten mitfinanziert werden, allerdings als „selbstverwaltet“ firmieren. Anders als in regulären Wohnheimen bestimmen hier die Bewohner, wer einziehen darf und wer nicht; eine Hinterlassenschaft der späten siebziger Jahre, als die bis dahin besetzten Häuser in die Trägerschaft des Studentenwerks überführt wurden.

Als 2005 Linksextremisten eine Demonstration der NPD sowie rechtsextremer „Kameradschaften“ zum Anlaß nahmen, Teile der Stadt in ein bürgerkriegsähnliches Szenario zu verwandeln, sah Polizeipräsident Hans Wargel Handlungsbedarf: Der oberste Ordnungshüter – später übernahm er den Chefsessel beim niedersächsischen Verfassungsschutz – lud Parteien, Gewerkschaften und verschiedene Organisationen ein, um Tacheles zu reden. Seine These: Göttingen habe kein Rechts-, sondern ein Linksextremismus-Problem. Und eine der Ursachen dafür sei die nicht vorhandene Bereitschaft von Teilen der „Zivilgesellschaft“, sich von den gewaltsamen Antifaschisten abzugrenzen. Wargel forderte, daß Parteien wie SPD, Grüne oder Linkspartei sowie der Gewerkschaftsbund ihre „Bündnisse gegen Rechts“ künftig nicht mehr mit der linksextremen Szene schließen sollten, der sie so bisher eine „legale“ Plattform geboten hatten.

Ein Teilnehmer des Treffens berichtete später, daß Wargel abgeblitzt sei; besonders empört über das Ansinnen des Polizeipräsidenten habe sich der Göttinger Grünen-Landtagsabgeordnete und Fraktionsvorsitzende Stefan Wenzel gezeigt. Dieser ist mittlerweile Umweltminister und stellvertretender Ministerpräsident. Kaum verwunderlich, daß Wargel kurz nach Antritt der rot-grünen Koalition als Verfassungsschutzpräsident abgesetzt worden ist.

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