© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/13 / 23. August 2013

CD: Maskentänze
Grünärmel im Paradies
Sebastian Hennig

Gravitätische Schreittänze und hämmernder Galopp wechseln in den Tänzen der Renaissance und des Frühbarock, die das Trio „Il Giardinetto Del Paradiso“ zu Gehör bringt. Der Name „Paradiesgärtlein“ ist zwei berühmten Bildern des gotischen Kölner Meisters Stephan Lochner entlehnt. Andacht und Zierlichkeit wie auf „Maria im Paradiesgarten“ oder „Die Muttergottes in der Rosenlaube“ kennzeichnen die Tänze.

Weltliches und Geistliches sind noch eng verschwistert. Das eine gebietet wohl über das andere, kann zugleich aber nur in dessen Gestalt sinnlich wahrgenommen werden. Die Saiten werden gezupft und gestrichen oder mit Tasten angeschlagen. Dabei entstehen oft perkussive Wirkungen. Tanzende Hexen, schwebende Nymphen und Satyrfratzen durchwirbeln die Lustbarkeiten jener Zeit.

Das Britische Museum besitzt eine der umfangreichsten Sammlungen mit höfischen Tänzen aus dem frühen 17. Jahrhundert. Die englischen Maskentänze wie „The Standing Masque“, „Grays Inne Masque“ oder „The Satyres Masque“ sind schwerer und gemessener als die südlichen Tänze aus Italien und Spanien, mit denen die britische Klangküche etwas aromatisiert wurde.

Die drei Intrumentalisten haben jeweils mehrere Tänze zu einem kleinen Dramolett zusammengezogen. Dabei bedienen sich die Musiker eines Themas, das sie als verbindendes Element wiederkehren lassen. Girolamo Frescobaldis „Se l’aura spira“ rahmt zwei anonyme englische Stücke. Es ist ein gelungener Einfall, die Tänze in größere Zusammenhänge einzubinden. Denn als Konzertstücke eignen sich die Miniaturen nicht. Nach dem Verklingen nur eines Präludiums von Bach erhebt sich kein Andenken mehr an die musikantischen Eintagsfliegen einer gezierten Epoche. Umständlich und amüsant wirken diese Klangbeispiele.

William Byrds „The Bells“ wird beziehungsreich eingeführt mit dem Geläut der Wuppertaler Herz Jesu Kirche, in der die Aufnahmen stattfanden. Der Zeitgenosse Shakespeares reizte alle Spielmöglichkeiten des Virginals aus.

Das Lied „Greensleeves“ schmachtet nach einer Lady im grünen Kleid. Die bekannte Volksweise ist auch im Tonfall ein englisches Pendant zum ostpreußischen „Ännchen von Tharau“. Doch während dort „der Liebe Verknotigung“ durch Leid und Entbehrungen nur fester angezogen wird, ist die Verbindung zwischen den verführerischen grünen Ärmeln und dem sehnsüchtigen Liebhaber abgerissen. Nur melancholisches Klagen klingt hinterdrein.

1553 gab Diego Ortiz in Rom eine Anleitung zum Spiel der Viola da gamba heraus. Drei seiner ornamentalen Figuren machen uns mit der teilweise recht verzwickten musikalischen Ausdrucksweise der Renaissancemusik bekannt. Etwas schlichter wirken die Nachempfindungen der Canarios, Volkstänze von den Kanarischen Inseln, in denen sich der Deutschitaliener und Theorbenvirtuose Johann Hieronymus Kapsberger und der spanische Gitarrist Gaspar Sanz übten.

Das Ensemble „Il Giardinetto Del Paradiso“ wurde 2001 gegründet. Es hat sich für die präzise und lebensvolle Darbietung dieser ältesten der alten Musik einen Ruf erarbeitet und gastierte bereits auf vielen internationalen Festivals.

Il Giardinetto Del Paradiso Maskentänze aus der Renaissance und Frühbarock Thorofon (Bella Musica), 2013 www.bella-musica-edition.de  

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