© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/13 / 23. August 2013

Deine Eichen stehn, du bist gefallen
Vor 200 Jahren starb der Freiheitsdichter Theodor Körner im Kampf gegen das Franzosenjoch
Karlheinz Weissmann

Im Aufgang des Wehrgeschichtlichen Museums Rastatt hängt ein großformatiges Ölgemälde von Erwin Heinrich: „Theodor Körners Tod“. Das Bild entstand 1912 und zeigt den schwarz verhängten Katafalk, darauf den Leichnam Körners, den Kopf abgewandt, in der schwarzen Uniform der Lützower. Am linken Rand stehen seine Offizierskameraden, die Köpfe trauernd gebeugt, beobachtet von einem Jäger auf der gegenüberliegenden Seite.

Die Komposition ist streng, die Darstellung verhalten, auch in der Farbgebung, die sich auf Weiß, Schwarz und ein dunkles Grün, Andeutungen von Rot und Gelb, beschränkt. Sie unterscheidet sich damit wohltuend von den verbreiteten Bildern, die Körner als Sänger und Kämpfer, manchmal auch als Gefallenen zeigen, und die für den heutigen Betrachter allzu süßlich wirken. Eine gewisse Fremdheit wird man auch bei der Lektüre von Körners Dichtungen empfinden, deren gefühlvoller Ton und deren Pathos offenbar einer anderen Zeit angehören. Allerdings verflüchtigt sich dieser Eindruck bis zu einem gewissen Grad, wenn man Körners Texte im Zusammenhang seiner Biographie liest, eine Verknüpfung, die von Anfang an die größte Bedeutung für die Wirkung des Werks hatte.

Theodor Körner wurde am 23. September 1791 als Sohn des juristischen Rates Christian Gottfried Körner in Dresden geboren. Seine Familie gehörte dem gehobenen Bürgertum an und verstand es, eine anregende geistige Atmosphäre zu pflegen. Zu den Gästen, die im Haus der Körners verkehrten, zählten neben Goethe und Schiller, den Brüdern Humboldt und den Brüdern Schlegel noch Novalis, der Musiker Karl Friedrich Zelter und der Schriftsteller und Buchhändler Friedrich Nicolai. Eine klare politische Haltung nahm man allerdings nicht ein. Erst unter dem Eindruck der napoleonischen Besetzung Deutschlands änderte sich das. Vor allem der Kampf der Tiroler Bauern gegen die Fremdherrschaft begeisterte Körner, der 1810 sein Gedicht „Andreas Hofers Tod“ schrieb und kurz darauf ein weiteres mit dem Titel „Die Eichen“, in dessen letzter Strophe es heißt:

„Schönes Bild von alter deutscher Treue, / Wie sie beßre Zeiten angeschaut, / Wo in freudig kühner Todesweihe / Bürger ihre Staaten festgebaut. / Ach, wie hilft’s, daß ich den Schmerz erneue? / Sind doch alle diesem Schmerz vertraut! / Deutsches Volk, du herrlichstes von allen, / Deine Eichen stehn, du bist gefallen.“

Die Symbolik der Eiche, die Zeilen, in denen vom Staat gesprochen wird, den die Bürger „in freudig kühner Todesweihe“ schufen, und der Appell an das deutsche Volk lassen klar erkennen, wie stark Körner zu diesem Zeitpunkt schon durch die nationalromantische Idee beeinflußt war. Die Tatsache, daß das heimatliche Sachsen auf der Seite Napoleons stand, scheint ihn so wenig irre gemacht zu haben wie die durchaus gespaltene Stimmung an den Universitäten, die er nach dem Ende der Schulzeit besuchte. In Leipzig war Körner an massiven Auseinandersetzungen mit adligen, profranzösischen Kommilitonen beteiligt, in Berlin hörte er Fichte und Schleiermacher und schloß Freundschaft mit Friedrich Ludwig Jahn und dessen engem Vertrauten Karl Friedrich Friesen, Führern der neuen Turnbewegung und wichtigen Gestalten des patriotischen Lagers.

Allerdings setzte Körner sein Studium nicht fort. Erkrankt mußte er Berlin verlassen, ging zur Genesung nach Karlsbad und von dort nach Wien, wo er sich entschloß, Schriftsteller zu werden. Er hatte rasch Erfolg, erhielt Aufträge des Hofburgtheaters, das Ende 1812 auch das erste Drama Körners, „Zriny“, zur Aufführung brachte. Ohne Zweifel stand ihm eine glänzende literarische Karriere bevor. Aber zu diesem Zeitpunkt war Körner schon überzeugt, daß er nicht länger seinen privaten Interessen folgen könne. Früh hatte er geäußert, daß er, für den Fall, daß Preußen sich gegen Napoleon stelle und „die Sache (…) ein insurrektionsartiges Ansehen erhielte, meine deutsche Abkunft zeigen und meine Pflicht erfüllen müßte“.

Diese Absicht setzte er jetzt in die Tat um und ging nach Schlesien, wo die militärischen Vorbereitungen für den Kampf gegen Napoleon begonnen hatten. Seiner Vorstellung von der Notwendigkeit einer „Insurrektion“ – also einer revolutionären Erhebung – entsprechend, trat Körner dem Freikorps Lützow bei. In seinem Gedicht „Aufruf“ brachte er die Vorstellung der jungen Nationalisten über den Sinn des kommenden Kampfes unmißverständlich zum Ausdruck:

„Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen; / Es ist ein Kreuzzug, ’s ist ein heil’ger Krieg.“

Körner hat das Bild der Lützower Jäger durch seine Texte sehr nachhaltig geprägt, nicht nur mit dem „Lied der schwarzen Jäger“, das sich rasch in der Mannschaft verbreitete, sondern auch mit seinem berühmten Aufruf vom 12. April 1813, in dem er zum Eintritt in das Freikorps aufforderte, in dessen „Schar kein Unterschied der Geburt, des Standes, des Landes“ gelte. Das Freikorps hatte zwar nur einen begrenzten militärischen Wert, brachte aber durch seinen besonderen Geist die neuen Vorstellungen der Nationalbewegung idealtypisch zum Ausdruck. Es ging den Lützowern nicht zuerst um König und Vaterland oder darum, das „Franzosenjoch“ zu brechen, sondern darum, mit der Freiheit die Einheit Deutschlands zu erkämpfen.

Körner genoß unter seinen Kameraden hohes Ansehen. Sie wählten ihn zum Oberjäger, kurz darauf ernannte ihn Lützow zu seinem Adjutanten im Rang eines Leutnants. Körner überlebte knapp das Massaker, das Napoleon bei Kitzen an den ihm verhaßten „schwarzen Briganten“ verüben ließ. Er fiel aber kurz darauf, am 26. August 1813, bei Gadebusch im Gefecht.

Noch am Abend zuvor hatte Körner seinen Kameraden das „Schwertlied“ vorgetragen. Es wurde wie seine Dichtung überhaupt als Vermächtnis verstanden, und die außergewöhnliche Popularität Körners – mit abnehmender Tendenz auch die seines Werkes – erhielt sich bis in die Nachkriegszeit. Zwar verzichtete die Bundesrepublik auf diesen Helden der Befreiungskriege, aber die DDR bezog ihn um so entschlossener in ihre „Erbepflege“ ein. Dem verdankten nicht nur Theodor-Körner-Straßen – die es auch im Westen gibt –, -Plätze und -Schulen ihren Namen, sondern auch die Gedenkstätte in Wöbbelin. Die existiert bis heute und hat die „Wende“ überstanden, der 200. Todestag des „Sängers der Freiheitskriege“ wird aber erwartungsgemäß nur in sehr bescheidenem Rahmen gefeiert werden.

Foto: Georg Friedrich Kersting, Auf Vorposten, (Theodor Körner, Karl Friedrich Friesen und Heinrich Hartmann als Lützower Jäger in den Befreiungskriegen, v.l.n.r.); Öl auf Leinwand 1815: Mit der Freiheit auch die Einheit Deutschlands erkämpfen

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