© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

Fidelio im Zuchthaus Cottbus
Ein bißchen Rache
Siegmar Faust

Das 1860 in Betrieb genommene Königliche Central-Gefängnis in Cottbus mauserte sich zum bedeutendsten politischen „Devisenbringer-Gefängnis“ der DDR. Insgesamt verhökerte die SED-Führung etwa 34.000 politische Gefangene für 3,4 Milliarden Westmark an den innerdeutschen Klassenfeind. Im September 2012 weihte der 1976 aus der DDR ausgewiesene Liedermacher Wolf Biermann die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus mit einem Benefizkonzert ein. 2007 kam das bis 2002 weitergeführte Gefängnis unter den Hammer.

Darauf gründeten ehemalige politische Häftlinge das Menschenrechtszentrum Cottbus. 2011 kaufte der Verein das Gefängnisareal mit acht Gebäudeteilen und 500 Meter Mauer samt drei Wachtürmen einem privaten Investor wieder ab. Am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, wird dann die Dauerausstellung eröffnet: „Karierte Wolken – Politische Haft im Zuchthaus Cottbus 1933–1989“.

Dieses einmalige, in der öffentlichen Wahrnehmung noch unterbelichtete Gefängnis, in dem kurz vor Kriegsende sogar neun Frauen des Hamburger Zweigs der Weißen Rose einsaßen und nun rund 200 ehemalige politische Gefangene Miteigentümer ihres Gefängnisses sind, hat mit Sylvia Wähling eine hervorragende Gedenkstättenleiterin.

Sie kam auf die grandiose Idee, im nächsten Sommer im Innenhof der ehemaligen „Roten Hölle“, wie das Zuchthaus auch hieß, Beethovens „Fidelio“ vom Staatstheater Cottbus aufführen zu lassen.

Daß die Idee zur materiellen Gewalt wird, weil sie die Herzen privater und staatlicher Spender eroberte, treibt die ehemaligen sozialistischen Peiniger zur Weißglut. Sie sind in verschiedenen Organisationen tätig und protestieren „als Steuerzahler und Kunden der Sparkasse Spree-Neiße gegen die Ausgaben und Kosten“.

Sie argumentieren: „Beethoven als glühender Verehrer der Großen Französischen Revolution, deren Hauptlosung ‘Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit’ lautete, kann nicht für eine ‘Demokratie’ reklamiert werden, in der die Freiheit für viele Menschen eingeschränkt ist, wo Ungleichheit herrscht und alles andere als Brüderlichkeit erreicht ist.“

Früher quälten sie Staatsgefangene mit Gummiknüppeln, Fußtritten und täglichen Schikanen. Jetzt quälen diese mit Beethovens Freiheitsoper zurück. Ein bißchen Rache muß sein.

 

Siegmar Faust ist Schriftsteller und Kurator der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus.

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