© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

Grüße aus Rom
„Du kaufen“
Paola Bernardi

Abend für Abend bietet sich das gleiche Bild in der Via Canova, mitten im Herzen von Rom: Vorwiegend afrikanische, arabische, aber auch chinesische Händler rennen in Panik in diese unbelebte Seitenstraße. Sie verstecken sich in Hauseingängen und ducken sich hinter Autos. Es sind „Vu comprà“ (Du kaufen), wie die Italiener sie nennen.

Sie verkaufen auf dem Corso, Roms Hauptgeschäftsstraße, billige Imitationen italienischer Markenprodukte. Auf Tüchern präsentieren sie ihre gefälschte Ware und bieten sie den Touristen aus aller Herren Länder an: Handtaschen von Gucci, Prada, Fendi, Tod‘s und Louis Vuitton zu einem Bruchteil des Original-Preises. Auch Sonnenbrillen und Gürtel stehen im Angebot.

Alle Plagiate stammen aus illegalen Werkstätten, niemand weiß, wer die Auftraggeber sind. Sobald eine Polizeistreife auftaucht, raffen die illegalen Händler in Sekundenschnelle ihre Ware zusammen und suchen ihr Heil in der Flucht. Denn wenn sie erwischt werden, ist ihre Ware weg, wird beschlagnahmt. Ein ganzer Monatsverdienst steht auf dem Spiel.

Wahre Tragödien spielen sich im täglichen Überlebenskampf der Illegalen ab, während die Touristen strahlend mit ihren neu erworbenen Taschen abziehen. Einer der „Vu comprà“ ist der Ghanese Bey. Immer lächelnd verkauft er die besten Kopien. Jahr für Jahr kommt er nach Rom. Jetzt überlegt er gar, ob er sich noch eine Zweitfrau im fernen Afrika nehmen soll, vier Kinder hat er schon.

Doch nicht nur auf dem Corso, sondern auf allen schönen Plätzen Roms – am Trevi-Brunnen oder auf der Engelsbrücke – trifft man immer wieder auf diese Drittwelt-Verkäufer. „Das Zentrum von Rom ist ein einziger Suk“, so schimpft Stefano Dominella, der Vorsitzende der römischen Modebranche. Damit müsse es jetzt ein Ende haben. In diesen Krisenzeiten, da in Rom täglich zehn Läden schließen, sei es zwingend, endlich ein durchgreifendes Gesetz zu erlassen, um diesen mißbräuchlichen Handel abzustellen. Als Beispiel nennt der Modemacher Frankreich und England, wo der Zoll hart gegen die Einfuhr gefälschter Artikel vorgeht.

Die römische Modebranche verliere durch den Schwarzhandel rund 25 Prozent ihres Aufkommens. „Man kann auch der Ausbeutung nicht mehr Vorschub leisten“, so Dominella weiter. „Denn die Verkäufer verdienen an einer Tasche, die rund 50 Euro kostet, im Höchstfall fünf Euro.“

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