© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

Lockerungsübungen
Demokratische Kontrolle
Karl Heinzen

Wenn Ministerien neue Verordnungen erlassen oder bestehende novellieren, liegen die Motive oft im dunkeln. Nicht selten schleicht sich dann der Verdacht ein, daß wieder einmal Lobbyisten Einfluß genommen haben, um das Recht in ihrem Sinne zu beeinflussen. Diesen Verschwörungstheorien könnte sehr einfach der Garaus gemacht werden, wenn die öffentliche Hand vollständige Transparenz walten lassen ließe. Dazu ist sie jedoch meistens nicht bereit. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) könnte nun dazu führen, daß sie ihre Verweigerungshaltung aufgibt.

Die Luxemburger Richter hatten sich dabei mit den Vorgängen um die Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung auseinanderzusetzen, die im Jahr 2010 in Kraft getreten ist und zur Überraschung von Umweltverbänden manche Limousinen ökologischer als Kleinwagen erscheinen ließ. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) witterte eine Einflußnahme der Automobilhersteller und verlangte vom Bundeswirtschaftsministerium Akteneinsicht. Dieses lehnte es jedoch ab, die Hintergrundpapiere der Lobbyisten sowie Protokolle der mit ihnen geführten Gespräche herauszugeben, und die DUH zog vor Gericht, um nun vom EuGH die Bestätigung zu erhalten, daß die Informationsansprüche rechtmäßig waren.

Bis zur vollständigen Kontrolle der Staatsverwaltung durch die Öffentlichkeit ist es aber immer noch ein weiter Weg. Schriftliche Gesprächsprotokolle können purgiert sein, daher ist zu verlangen, daß von allen Meetings mit mutmaßlichen Lobbyisten Videoaufzeichnungen und von allen Telefonaten mit ihnen Audiomitschnitte erstellt und den Bürgern zugänglich gemacht werden. Da Beamte auch indirekt über von Interessenverbänden manipulierte Medien beeinflußt werden können, muß zudem akribisch erfaßt werden, welche Zeitungen, Zeitschriften und Bücher sie lesen, welche Fernseh- und Radiosendungen sie konsumieren und welche Internetseiten sie öffnen – im Dienst und privat. Auch ihr Post-, Fax- und E-Mail-Verkehr darf kein Geheimnis sein.

Leider kann niemand vorhersagen, ob sich durch mehr Transparenz tatsächlich das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen läßt. Auf dieses hat die Staatsverwaltung aber auch keinen Anspruch. Wo sie ihn dennoch erhebt, zeigt sie nur, daß sie ihre Rolle in der Demokratie nicht begriffen hat.

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