© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

Er wollte bis ans Ende der Welt
Ein Herrscher der Antike in Rosenheim: Im Lokschuppen präsentiert die Archäologische Landesausstellung Alexander den Großen
Felix Dirsch

Die Ausstellungsbesucher in Bayern konnten sich in den letzten Jahren an mindestens drei kulturellen Höhepunkten erfreuen: Der Präsentation des Märchenkönigs Ludwig II. auf Herrenchiemsee 2011 folgte die Darbietung der wechselhaften Beziehungen von Bayern und Österreich ein Jahr später in Burghausen und an zwei zusätzlichen Orten (JF 43/12). Die gegenwärtige Archäologische Landesausstellung in Rosenheim thematisiert das kurze, aber ereignisreiche Leben Alexanders des Großen (356–323 v. Chr.), dessen Mythos bis heute nicht verblaßt ist.

Von dem griechischen Geschichtsschreiber Diodor, der im 1. Jahrhundert v. Chr. lebte, ist zu Alexander der Satz überliefert: „In einem kurzen Zeitraum hat dieser König große Taten verrichtet und durch Klugheit und Tapferkeit mehr vollbracht, als alle Könige von Anfang an, welche die Geschichte kennt.“ Welches große Interesse diese Gestalt von weltgeschichtlichem Rang auch in der Gegenwart hervorruft, hat in diesem Jahr der Erfolg von Alexander Demandts außergewöhnlicher Biographie gezeigt.

Die überschaubare Größe des Lokschuppens zwingt zu einer Verdichtung der weiten Räume, die Alexander im Rahmen seiner Feldzüge durchquerte. Am Eingang wird der Interessent mit der Herkunft des Makedonen vertraut gemacht. Auf Tafeln wird dargestellt, daß der Sohn Philipps II. schon in jungen Jahren großen Wissensdurst entwickelte. Sein berühmter Lehrer Aristoteles brachte ihn mit dem wohl wichtigsten antiken Bildungsgut in Berührung, den Erzählungen Homers.

Doch das Studium dieser Überlieferung hätte Alexander nicht den Beinamen „der Große“ eingebracht. Die Welt der Waffen läßt nicht lange auf sich warten. Bald nach Beginn des Rundgangs wird der Besucher mit einer (allerdings sehr verkürzten) Nachbildung der sehr langen griechischen Speere konfrontiert. Auch interaktive Elemente fehlen nicht. Dreht man beispielsweise an einem Rad, werden die Frontlinien zwischen den Griechen und ihren Gegnern sichtbar.

Mit der Überschreitung des Hellesponts (einer Meerenge in der heutigen Türkei) im Mai 334 v. Chr. beginnt Alexanders Persienfeldzug, einer der epochemachenden Feldzüge der Weltgeschichte. Am Granikos erzielt die charismatische Führerfigur mit ihren Truppen einen frühen großen Sieg. Der lange Marsch durch Kleinasien mit dem berühmten Erfolg 333 („Issos-Keilerei“) schließt sich an. Eine weitere wichtige Station ist Ägypten. Die imposante Nachbildung eines Tempels (von Siwa) soll dem Besucher das Faszinosum der angeblichen Krönung Alexanders zum Pharao näherbringen, die freilich dem Bereich des Legendären zuzurechnen ist. Seine Aura ist die eines Halbgottes. Wie fast immer in der antiken Welt werden die Aufzeichnungen erst lange nach dem Ableben der historischen Persönlichkeiten verfaßt. Das und vieles mehr erfährt der Teilnehmer bei Führungen, die in großer Zahl angeboten werden.

Babylon, Susa und Persepolis sind nur wenige der zahlreichen weiteren Etappen des Eroberers, dessen berühmte, in Pompeji aufgefundene Mosaik-Darstellung inmitten der Menge seiner Soldaten im Großformat bewundert werden kann. Der Triumph über den Perserkönig Daraios III. machte den Griechen praktisch zum Herrscher der Welt. Obwohl er mit seinem Troß schon Tausende von Kilometern zurückgelegt hatte, ging der Weg weiter nach Indien, quasi dem Aufgang der Sonne entgegen. Man erreichte bald die Grenzen der bekannten Erde.

326 v. Chr. schließlich wurde der König von seinen Truppen zur Umkehr genötigt. Auf der Rückkehr fanden in Susa die berühmten Massenhochzeiten statt. Alexander selbst heiratete die Prinzessin Roxane. Er hatte wohl erkannt, daß Macht dauerhaft nicht durch Waffen aufrechtzuerhalten ist, sondern auch kulturell unterfüttert werden muß. Heute spräche man von Mitteln der soft power. Über den Tod des jungen Kriegers am 10. Juni 323 v. Chr. in Babylon ist viel gerätselt worden. Eine Malaria-erkrankung ist nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Eine Ermordung wurde schon in der Antike in Erwägung gezogen.

Die Ausstellung problematisiert neben dem Feldherrn auch den Menschen Alexander. Dieser zeichnete sich mitunter durch Milde und Entgegenkommen aus, was größere Härte und Grausamkeiten keineswegs ausschloß. Ebenfalls kommt das Verhältnis zu seinem Vertrauten Hephaistion zur Sprache, einem makedonischen Adeligen, General und möglicherweise auch Geliebten Alexanders des Großen.

Hinzuweisen ist auf viele sehenswerte Exponate, darunter als typisch persischer Gegenstand das Rhyton – ein Becher, der nach vorne in einem Tier- oder Mischwesen ausläuft. Weiter zu erwähnen ist die Rekonstruktion von Persepolis. Die übliche museumspädagogische Aufbereitung, etwa mit Hilfe von Audioguides, ist den Kuratoren, von denen Ellen Rehm hervorzuheben ist, zufriedenstellend gelungen. Die Archäologin war auch am Begleitband federführend beteiligt, der zur Erklärung und Vertiefung der historischen Thematik zu empfehlen ist. Der Umfang von rund 300 Seiten ist keinesfalls unverdaulich, sind heute doch manchmal sogar mehrbändige Begleitwerke zu größeren Ausstellungen nicht ungewöhnlich. Mit der weithin beachteten Alexander-Ausstellung hat der Lokschuppen Rosenheim der Reihe seiner Höhepunkte der letzten Jahre einen weiteren prächtigen hinzugefügt.

Die Ausstellung „Alexander der Große“ ist bis zum 3. November im Lokschuppen Rosenheim, Rathausstraße 24, täglich von 9 bis 18 Uhr, Sa./So. ab 10 Uhr, zu sehen. Das Begleitbuch kostet im Museum 24,90 Euro. Telefon: 0 80 31 / 3 65 90 36

www.lokschuppen.de

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