© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

Der Wüstenfuchs im Widerstand
Eine Studie Peter Liebs in den „Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte“ bringt Neues zum „Mythos Rommel
Oliver Busch

Ist der Generalfeldmarschall Erwin Rommel zum militärischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu zählen? Das ist eine Zeithistoriker seit sechzig Jahren beschäftigende Frage, die eine Mehrheit von ihnen mit Nein beantwortet. David Irving und Peter Steinbach, der für 2014 eine Rommel-Biographie ankündigt und der einst den Artikel über den Feldherrn in der zweiten Auflage seines „Lexikons des Widerstands“ (1998) wieder entfernte, beziehen hier in seltener Eintracht genauso Stellung wie die meisten anderen Biographen, die ihn bis zu seinem erzwungenen Selbstmord im Oktober 1944 als treuen Gefolgsmann Adolf Hitlers und nicht einmal als Sympathisanten des Widerstands verstehen wollen.

Die Stuttgarter Ausstellung „Mythos Rommel“ (2008/09, JF 47/08), stellte seine Beziehungen zum Widerstand vielschichtiger dar, wollte sich aber nicht festlegen. Ebensowenig wie die Bundeswehr, wo man 2001 in einem Goslarer Offizierskasino eine Gedenktafel mit der Begründung entfernte, der Marschall sei ein „exponierter NS-Repräsentant“ gewesen. Andererseits erklärte das Verteidigungsministerium 2008, Rommel sei „dem Widerstand zuzuordnen“. Aus der jüngsten Historikerschlacht, die 2012 ein TV-Film über den Wüstenfuchs auslöste (JF 44/12), gingen indes die Verfechter der „herrschenden Meinung“, die Rommel als „führertreuen Betonkopf“ verdammt, als Sieger hervor.

Die Studie, die der an der Militärakademie Sandhurst lehrende deutsche Historiker Peter Lieb nun in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte (3/2013) veröffentlicht hat, dürfte jedoch den vermeintlich abgeschlossenen „Fall Rommel“ neu aufrollen. Sie endet mit dem klaren Votum, Rommel gebühre ein fester Platz in der Geschichte des militärischen Widerstands gegen Hitler. Zwar gehöre er nicht zum kleinen Kreis derer, die das Attentat vom 20. Juli 1944 planten und ausführten, auch nicht zu dem schon weiteren Kreis der Mitwisser, doch unverrückbar zu jenen, die nach Einschätzung des Heydrich-Nachfolgers Ernst Kaltenbrunner über die Tatsache informiert gewesen seien, „daß ein gewaltsames Unternehmen gestartet werden sollte, wobei die Frage offenblieb, inwieweit der Führer ausgeschaltet werden sollte“. Genau in diesem Kreis, so ist Lieb überzeugt, „läßt sich Rommel verorten“.Wie generell in der Geschichte der Militäropposition ist auch für Rommels Verhältnis zu den Attentätern des 20. Juli die Quellenlage unbefriedigend. Das ist allerdings auch der simplen Tatsache geschuldet, daß Verschwörer über ihr Tun selten einen Aktenbestand anlegen. Lieb setzt daher auf Indizienbeweise. Immerhin kann er sich dabei auf einen glücklichen Quellenfund des die „Widerstands“-These vertretenden Rommel-Biographen Maurice Philip Remy (2002) stützen.

Es handelt sich um eine knappe Aktennotiz Martin Bormanns vom 28. September 1944, die – vielleicht als Fazit der Caesar von Hofacker unter der Gestapo-Folter abgepreßten Geständnisse – festhält, Rommel sei über das Attentat „durchaus im Bilde gewesen“ und habe erklärt, daß er nach dessen Gelingen der „neuen Regierung zur Verfügung stehen würde“.

Habe der Rommel-Biograph Ralf Georg Reuth 2004 dieses Dokument noch herunterspielen können, um es in seine krude Theorie von Bormanns „Rache“ an Rommel einzubauen, so zeugt die Notiz im Kontext weiterer Indizien zweifelsfrei für Liebs Argumentation. So brachten die von Sönke Neitzel 2007 edierten Protokolle abgehörter Gespräche deutscher Militärs in britischer Gefangenschaft, die Aussage des Rommel-Untergebenen Heinrich Eberbach ans Licht, der Oberbefehlshaber West habe im Juli 1944 für die Zukunft Deutschlands keinen anderen Weg mehr gesehen, „‘als daß wir den Führer und seine engste Sippschaft möglichst schnell umbringen’“.

Hinzu käme eine Marginalie seines langjährigen Stabschefs Alfred Gause, der in einem Exemplar der Rommel-Biographie Desmond Youngs (1950) ein „Stimmt nicht!“ neben die Behauptung eintrug, der Heerführer habe nichts von den Attentatsplänen gewußt. Überdies müsse die Aussage seines Stabschefs Hans Speidel vor dem „Ehrenhof der Wehrmacht“ ernstgenommen werden, er habe von Stauffenbergs Verschwörung erfahren und dies pflichtbewußt seinem Vorgesetzten Rommel gemeldet.

Aufgrund dieser und weiterer Indizien, wie dem gut bezeugten Kontakt zu Carl Goerdeler, muß Rommels Verbindung zum Widerstand als „unstrittig“ gelten. Dann werde auch sein rätselhaftes Verhalten gegenüber den beiden Hitler-Abgesandten erklärlich, die ihm am 14. Oktober 1944 die Zyankali-Kapsel überbrachten und ihn vor die Wahl „Selbstmord oder Volksgerichtshof“ stellten. Rommel habe deshalb nicht „energisch gegen dieses Todesurteil protestiert“ und einen Prozeß gefordert, weil er wußte, daß „handfeste Beweise“ gegen ihn vorlagen. Der Selbstmord, mit dem er auch seine Familie vor dem Zugriff der Gestapo rettete, müsse folglich als das „stille Eingeständnis seiner Komplizenschaft“ gedeutet werden.

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