© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

Frisch gepresst

Richard Wagner. „Vollends nach Auschwitz wird noch nach den leisesten Spuren von Judenfeindschaft in Wagners Schriften und nach Judenkarikaturen in seinen Musikdramen gefahndet.“ Aus der Masse der in diesem Jubiläumsjahr auf den Markt gespülten Wagner-Literatur ragen Siegfried Gerlichs Sondierungen zu „Philosophie, Geschichtsdenken und Kulturkritik“ des Bayreuther Meisters gerade deshalb heraus, weil sie zu diesem so „politisch korrekten“ wie zutiefst ahistorischen Reduktionismus knochenhart auf Distanz gehen. Zwangsläufig enthält das umfangreichste Kapitel („Die jüdische Frage und der ‘Antisemitismus’“) seiner Arbeit daher die stärksten Provokationen für den öden Wagner-Diskurs des bundesdeutschen Juste milieu, das schon lange nicht mehr gewohnt ist, den „Antijudaismus“ des spätromantischen Tonsetzers „aus seiner Zeit heraus“ zu deuten. Zumal dazu intime Kenntnisse der innerjüdischen Debatten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vonnöten wären, über die Gerlich souverän verfügt. Allein Gerlichs Versuch, die vielschichtigen deutsch-jüdischen Beziehungen zu rekonstruieren und somit Wagners Positionen dem primitiven „Täter-Opfer“-Schema zu entreißen, erhebt seinen Großessay in den Rang eines Meilensteins der Wagner-Forschung. (wm)

Siegfried Gerlich: Richard Wagner. Die Frage nach dem Deutschen. Philosophie – Geschichtsdenken –Kulturkritik. Karolinger Verlag, Wien 2013, broschiert, 223 Seiten, 24 Euro

 

Kinderwahlrecht. Die heute im europäischen Bankensystem versenkten Milliarden werden einst fehlen, um den 2013 Geborenen ihre Jugendfreuden in öffentlichen Badeanstalten zu ermöglichen. Einfluß auf diese fatale Politik haben diese aber nicht. Völlig falsch findet das die frühere SPD-Familienministerin Renate Schmidt, die deshalb das Wahleintrittsalter auf Null senken möchte. In ihrer Streitschrift offenbart die 69jährige Ex-Politikerin, Mutter dreier Kinder und Oma von vier Enkeln, warum eine Teilhabe auch der Kleinsten an politischen Prozessen ein erforderlicher Beitrag für Generationengerechtigkeit in unserer sich abzeichnenden Gerontokratie ist. Auch wenn mancher Ansatz kritikwürdig ist, wie eine direkte Übergabe des Wahlrechts von den Eltern an ihre erst zwölfjährigen Kinder, erfrischen Schmidts über den Horizont einer Legislaturperiode reichende Visionen den Diskurs allemal. (bä)

Renate Schmidt: Laßt unsere Kinder wählen. Kösel- Verlag, München 2013, broschiert, 127 Seiten, 12,99 Euro

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