© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

Haltungsnote
Die Trumpfkarte gespielt
Christian Rudolf

Das Stück beginnt wie eine Novelle: Die liebe Sonne, strahlend gelb auf dem roten Grund einer Fahne – sie provoziert einen brutalen Einsatz der Polizei in der Schalke-Arena von Gelsenkirchen. Vergangene Woche, beim Heimspiel des FC Schalke 04 gegen den griechischen Paok Saloniki, hing die ehemalige, in Deutschland legale Nationalflagge Mazedoniens im Block der Schalke-Fans. Wie schon so oft, seit Schalker Ultras sich mit Anhängern eines mazedonischen Klubs im Jahr 2004 angefreundet hatten.

Ein mitgereister griechischer Polizist fühlte sich von der Fahne persönlich beleidigt und zog die Trumpfkarte, die in Deutschland immer sticht: „Volksverhetzung“ scholl es laut. Die 2.000 griechischen Fans würden sich provoziert fühlen und drohten angeblich mit Gewalt, falls das Banner nicht entfernt werde.

Nun gewann die unerhörte Begebenheit erst richtig an Fahrt. Die Sonnen-Fahne mußte weg, koste es, was es wolle. 200 Polizisten in voller Montur marschierten in den Schalke-Block, machten Knüppel aus dem Sack und geizten nicht mit Pfefferspray. Der erboste Schalke-Manager Horst Heldt sprang den Fans bei. Es wundere ihn, „daß die Polizei in unsere Kurve gegangen ist. Eigentlich hätte sie in die andere Kurve gehen müssen.“

Die Polizei konnte auch in einer Pressemitteilung nicht erklären, warum es sich um Volksverhetzung gehandelt habe. „Unsere Fans haben uns sensationell supportet“, verteilte Heldt Streicheleinheiten für die 80 Verletzten und unterstrich: Wenn in Hannover Fans von uns eine Braunschweig-Fahne zeigen, geht die Polizei dann wieder rein? Die Antwort gab es wie immer auf’m Platz.

Aus Angst vor weiteren Volksverhetzungsvorwürfen verzichteten die Schalke-Ultras am Samstag auf Eintracht-Braunschweig-Fahnen, und die 96-Fans blieben artig in ihren Blöcken.

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