© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/13 / 06. September 2013

„Israel ist bereit“
Interview: Militärexperte Martin van Creveld über Gefahren und Durchführung des US-Angriffs
Moritz Schwarz

Herr Professor van Creveld, ist Israel wegen des US-Angriffs auf Syrien besorgt?

Creveld: Viele Israeli fürchten das syrische Gas und wünschen sich keine Feindseligkeiten mit dem Nachbarland. Die Regierung steht auf dem Standpunkt: Das ist nicht unser Krieg. Aber wir sind bereit, für den Fall syrischer Vergeltungsschläge, wie sie Damaskus angekündigt hat. Nun, und dann gibt es ein paar, die die Gelegenheit sehen, eine offene Rechnung mit Baschar Hafiz al-Assad zu begleichen, weil er die Hisbollah unterstützt.

Könnte der US-Luftschlag denn tatsächlich zu einer Ausweitung des Konflikts führen?

Creveld: Die USA hoffen ja, daraus eine kurze, „chirurgische“ Operation zu machen, die – kaum hat sie begonnen –, schon wieder zu Ende ist. Wenn das gelingt, und vorausgesetzt Assad hat nicht zuviel Schaden genommen, dann mag er seine Wut herunterschlucken und darauf verzichten, schlafende Hunde zu wecken. Dennoch, das Risiko einer Eskalation ist keineswegs unerheblich. Aber zu was es wohl nicht kommen wird, ist ein syrischer Chemiewaffenangriff auf Israel. Weil dieser für Syrien gleichbedeutend wäre mit Selbstmord.

Kann die US-Luftwaffe die Giftgaswaffen der Syrer überhaupt ausschalten?

Creveld: Es heißt, Syriens Chemiewaffenarsenal sei eines der größten der Welt. Es scheint im ganzen Land verteilt zu sein und auch in bewohntem Gebiet gelagert zu werden. Es handelt sich übrigens um binäre Waffen. Das heißt, die Granaten enthalten zwei getrennte Substanzen, die an sich harmlos sind. Detoniert die Granate aber, mischen sich die Substanzen und tödliches Gas entsteht. Das schließt einen Angriff auf die Gaswaffen aus, sonst würde eine Wolke entstehen, die zu einem humanitären und ökologischen Desaster führen würde.

Ist die syrische Luftabwehr ebenso hilflos wie 2003 die irakische oder müssen die USA mit Verlusten rechnen?

Creveld: Die syrische Luftwaffe spielt keine große Rolle. Aber Syrien verfügt über ein wirksames und relativ effizientes Luftabwehr-Raketensystem Das ist der Grund, warum die USA die erste Angriffswelle – ja vielleicht sogar den gesamten Angriff – mit Marschflugkörpern durchführen werden.

Wie stark ist Assads Armee überhaupt noch?

Creveld: Wenn man bedenkt, wie viele Leute schon Assads Fall vorausgesagt haben, hält sich seine Armee überraschend gut. Die US-Luftschläge werden wohl einigen Schaden anrichten, doch sie werden den Krieg sicherlich nicht beenden.

 

Prof. Dr. Martin van Creveld, 67, ist Emeritus der Hebräischen Universität Jerusalem und Verfasser zahlreicher Werke über Militärstrategie und Kriegsgeschichte.

 

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