© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/13 / 06. September 2013

Zeitschriftenkritik: Tweed
Was ist britisch?
Christian Vollradt

Mit der deutsch-britischen Beziehung ist das ja so eine Sache: Mal dominieren bei den „Vettern“ dies- und jenseits des Kanals über die Jahrhunderte Neid und Haß auf den jeweils anderen, mal Bewunderung und Zuneigung. Fast wie in einer ganz normalen Familie ... Aktuell scheinen die Briten die Deutschen ziemlich dufte zu finden; Boris Johnson jedenfalls, Oberbürgermeister von London und Tory-Liebling, schrieb jüngst geradezu eine Hymne auf die neuen coolen Germanen, die man einfach umarmen müsse.

Ungeachtet solcher Liebesschwüre gibt es unter manchen Deutschen eine tiefe Bewunderung für „die Insel“, genauer für einen bestimmten Lebens- oder Kleidungsstil von dort. „Doch was ist dieser Stil eigentlich, was macht das Britische zum Britischen ...?“ So fragt Hans Joachim Wieland, Chefredakteur des neuen Magazins Tweed, im Editorial seines Premierenheftes. Um gleich darauf die Antwort zu geben: „Es ist etwas genuin Konservatives, im eigentlichen Wortsinne des ‘Erhaltens’.“

Alle zwei Monate will Tweed nun in Wort und Bild das Unterhaltungsbedürfnis derer befriedigen, „die gerne Tweedsakkos tragen, Whisky trinken, ... die das sind, was man gemeinhin als Gentleman bezeichnet“. Apropos: Bernhard Roetzel, Autor des Stil-Klassikers „Der Gentleman“ (JF 44/12), ist gleich mit mehreren Beiträgen im Magazin vertreten. Gewohnt kenntnisreich und detailliert erläutert er, was einen typischen Maßanzug der legendären Londoner Savile Row ausmacht und wo man so einen auch in Deutschland anfertigen lassen kann (wenn das nötige Kleingeld vorhanden ist). Daß man Rauhlederschuhe am besten im Wasserbad säubert, daß sich Männer neuerdings sogar zum gemeinsamen Schuheputzen (und gleichzeitigem Weintrinken) verabreden, daß man immer noch zu abendlichen Veranstaltungen kein blaues Hemd, wohl aber in der Stadt braune Schuhe tragen darf – auch darüber klärt Roetzel den Leser ebenso routiniert auf wie über die Kulturgeschichte britischer Wohnzimmer.

Etwas zu tabellarisch und deshalb blutleer ist eine Historie der Edelautoschmiede Aston Martin, knapp und dennoch informativ ein Beitrag über Polo in Deutschland, samt einem Kurzinterview mit Schauspieler Heino Ferch, einem begeisterten Vertreter dieser ältesten Teamsportart.

Daß die Briten ihrem Widerstand gegen manchen Modernisierungswahn und ihrer Begeisterung für Traditionen gerne auch eine sympathische Dosis Spleenigkeit beimischen, unterstreicht die sehr charmante Reportage über das „Goodwood Revival“, das „schnellste Kostümfest der Welt“. Auf dieser Rennstrecke in Südengland präsentieren sich alljährlich im September auf Einladung des Earl of March nicht nur hochwertige Oldtimer, sondern die ganze Veranstaltung gleicht einer einzigen Zeitreise in die Nachkriegsära, weil Fahrer, Mechaniker und Besucher sich modisch entsprechend ausstaffieren. Alles wirkt, als könnten jederzeit Rudolf Caracciola oder Stirling Moss auftauchen, jeder unterwirft sich freiwillig dem Jeansverbot.

Kontakt: Wieland Verlag GmbH, Rosenheimer Str. 22, 83043 Bad Aibling, Telefon: 0 80 61 / 3 89 98-0

www.tweedmagazin.de

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