© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/13 / 06. September 2013

Hilflose Geste
Machtkampf beim „Spiegel“: Wie eine zweitrangige Personalie bei Deutschlands wichtigstem Nachrichtenmagazin für Aufruhr sorgt
Felix Krautkrämer

Das Impressum des aktuellen Spiegel führt Wolfgang Büchner seit dieser Woche als Chefredakteur. Der frühere dpa-Chef hatte den Posten am vergangenen Sonntag offiziell übernommen. Die aktuelle Ausgabe des Hamburger Magazins war da bereits gedruckt. Anlaß, sich entspannt zurückzulehnen und über den eigenen beruflichen Aufstieg zu freuen, hat Büchner dennoch nicht. Denn der 46 Jahre alte Journalist ist angeschlagen.

Das war er bereits, als er das erste Mal seinen Fuß in das Zimmer des demokratischen Geschützführers setzte. Schuld daran ist jene Personalie, deren Bedeutung er offenbar unterschätzt hatte: Nikolaus Blome. Der Leiter des Bild-Hauptstadtbüros soll ab Dezember die gleiche Funktion bei Spiegel und Spiegel Online übernehmen (JF 36/13).

Und weil Blome auch stellvertretender Bild-Chef ist, sollte er diesen Titel auch beim Spiegel erhalten. Zum Entsetzen der dortigen Redakteure und Ressortleiter, die in dem Springer-Mann nicht weniger als den wahrhaftigen Gottseibeiuns sehen. Vom Protest seiner künftigen Untergebenen überrascht, ruderte Büchner auf einer Versammlung der Mitarbeiter-KG des Spiegel zurück: Blome solle nicht stellvertretender Chefredakteur werden, sondern „nur“ Mitglied der Chefredaktion. Auch sei er außerhalb seines Ressorts nicht weisungsbefugt.

Den Streit zwischen den verschiedenen Lagern im Haus konnte Büchner damit nicht befrieden. Angeblich lehnen die meisten Redakteure Blome weiterhin ab. Ebenso die Tochter von Spiegel-Gründer Rudolf Augstein, Franziska, die die Personalie einen „Skandal“ nannte. Allerdings besitzen die Erben nur 24 Prozent der Verlagsanteile. Die Mehrheit, nämlich 50,5 Prozent, ist in der Hand der Mitarbeiter-KG. Deren Geschäftsführung wurde zwar in der vergangenen Woche von mehreren Redakteuren wegen der Causa Blome zum Rücktritt aufgefordert. Doch dürfte das nicht mehr als eine hilflose Geste einiger Ressortleiter gewesen sein, die es nicht ertragen können, daß nicht sie, sondern andere über die Zusammensetzung der Chefredaktion entscheiden.

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