© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/13 / 06. September 2013

Schaut auf diese Stadt!
Als 1948 die SED die Teilung Berlins provozierte
Matthias Bath

Nach der Währungsspaltung Berlins im Juni 1948 (JF 26/13) spitzten sich die Gegensätze zwischen Ost und West in der deutschen Hauptstadt weiter zu. Während die abgeriegelten Westsektoren von Amerikanern und Briten über die Luftbrücke versorgt wurden, nahm in den acht Bezirken des Sowjetsektors der Gleichschaltungsdruck der SED stetig zu. Magistrat und Stadtverordnetenversammlung versuchten angesichts dessen notdürftig die Einheit der Stadt aufrechtzuerhalten.

Ein besonderes Problem war dabei die Leitung der Berliner Polizei. Deren von den Sowjets im Mai 1945 eingesetzter Präsident Paul Markgraf (SED) weigerte sich, die Dienstaufsicht des Magistrats anzuerkennen. Daraufhin wurde er am 26. Juli 1948 von dem im Magistrat für die Polizeiaufsicht zuständigen Bürgermeister Ferdinand Friedensburg vom Dienst suspendiert. Zugleich beauftragte Friedensburg Polizeivizepräsident Johannes Stumm (SPD) mit der Wahrnehmung der Amtsgeschäfte.

Da die Sowjets im Gegensatz zu den Westalliierten die Amtsenthebung Markgrafs nicht anerkannten, mußte Stumm am 28. Juli den Dienstsitz des Polizeipräsidiums in den US-Sektor verlegen, um von hier aus sein Amt zu übernehmen. Markgraf erklärte daraufhin mit sowjetischer Rückendeckung alle seitens des Magistrats und Stumms getroffenen Maßnahmen für ungesetzlich und behauptete, das rechtmäßige Polizeipräsidium befände sich nach wie vor an seinem bisherigen Dienstsitz im Ostsektor. Damit war aber die Polizei als erste und besonders wichtige Behörde Groß-Berlins gespalten. Die Polizei des Ostsektors fungierte nunmehr ganz offen als Herrschaftsinstrument der SED.

Dies wirkte sich auch auf die Tätigkeit der Berliner Stadtverordnetenversammlung aus, deren Tagungsort im Neuen Stadthaus auch im Ostsektor lag. Das von den Stadtverordneten gegen die Stimmen der SED bereits am 29. Juni 1948 verabschiedete Bannmeilengesetz wurde sowohl von der sowjetischen Besatzungsmacht als auch der Polizei im Ostsektor ignoriert. Eine Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 26. August 1948 mußte sogar wegen kommunistischer Drohungen abgesagt werden.

Nach Bekanntwerden der Vertagung der Sitzung verschafften sich vor dem Stadthaus wartende Demonstranten gewaltsam Zugang in das Gebäude und besetzten den Plenarsaal, wo sie unter Leitung von SED-Funktionären „eine öffentliche Versammlung der Arbeiterklasse“ abhielten. Die auf den 27. August vertagte Sitzung mußte angesichts weiterer kommunistischer Störungen, unter anderem wurde ein Großteil der Stadtverordneten am Betreten des Gebäudes gehindert, nach wenigen Minuten wieder geschlossen werden.

Als am 6. September 1948 ein weiterer Versuch zur Durchführung einer Sitzung gemacht werden sollte, stürmten kommunistische Demonstranten, von der Ost-Polizei ungehindert, das Stadthaus und besetzten den Sitzungssaal, wo sie abermals eine SED-Versammlung abhielten. Am Abend dieses Tages fand die Stadtverordnetenversammlung dann ungestört erstmals im Studentenhaus am Steinplatz im britischen Sektor statt.

Allerdings blieb die SED-Fraktion dem neuen Sitzungsort fern, so daß nunmehr auch das Berliner Stadtparlament durch das Verhalten der SED gespalten war. Am 9. September 1948 versammelten sich 300.000 Berliner zum Protest gegen die Vorfälle am Neuen Stadthaus vor dem Reichstag. Hier richtete Ernst Reuter seinen berühmten Appell an die „Völker der Welt“: „Schaut auf diese Stadt und erkennt, daß ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft und nicht preisgeben könnt!“

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