© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/13 / 13. September 2013

Am Rande der Wahrnehmung
Kleine Parteien: Kampf um die Fünfprozenthürde
Christian Schreiber

Gut eine Woche vor der Bundestagswahl kämpfen vor allem die bisher nicht im Bundestag vertretenen Parteien verzweifelt um ein wenig Aufmerksamkeit. Abgesehen von der Euro-kritischen Alternative für Deutschland (siehe Seite 5) dürfte keiner der „Sonstigen“ Chancen haben, die Fünfprozenthürde zu überspringen.

Mit den Piraten, den Freien Wählern sowie der NPD treten drei Parteien in allen 16 Bundesländern an, die bereits in einem oder mehreren Landtagen vertreten sind. Dies hat sie von der Verpflichtung befreit, Unterstützungsunterschriften sammeln zu müssen. Vor allem für die Piraten ist der Wahlkampf enttäuschend verlaufen. In allen Meinungsumfragen liegt die Partei zwischen zwei und drei Prozent. Sie ist weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden, auch die Enthüllungen Edward Snowdens brachten die Piraten nicht wieder in die Schlagzeilen. Derzeit sucht die Netzpartei nach Wegen aus der Krise, immerhin verfügt sie noch über vier Landtagsfraktionen. Dennoch scheinen Richtungsstreitigkeiten und Abspaltungen vorprogrammiert, intern wird mittlerweile davon gesprochen, die Partei zugunsten einer „sozialen Protestbewegung von unten“ abzuwickeln.

Solche Sorgen haben die im Bayerischen Landtag vertretenen Freien Wähler derzeit nicht. Ihr Wiedereinzug ins Maximilianeum an diesem Wochenende gilt als sicher. Parteichef und Spitzenkandidat Hubert Aiwanger präsentierte sich vor wenigen Tagen ziemlich selbstbewußt der Presse in der Bundeshauptstadt. Er hofft nach einem Erfolg in Bayern bei der Bundestagswahl „auf einen Durchwahleffekt“.

Für die Freien Wähler heißt das Minimalziel das Überspringen der 0,5-Prozent-Hürde, um in den Genuß der staatlichen Wahlkampfkosten-Erstattung zu kommen. „Ein starkes Ergebnis in Bayern wird uns bundesweite Aufmerksamkeit bescheren. Das ist in der letzten Wahlkampfwoche Gold wert“, sagte Aiwanger. Einen Einzug in den Bundestag hält er indes nicht für realistisch, „aber eine Zwei vor dem Komma sollte es schon sein.“

Die Freien Wähler haben abgesehen von Bayern, wo ihr Vorsitzender Aiwanger gerade in ländlichen Gebieten die Bierzelte füllt, auf Großveranstaltungen und spektakuläre Aktionen verzichtet. Auffallend ist dennoch die beinahe flächendeckende Plakatierung im Bundesgebiet, wo die Partei auf die Unterstützung zahlreicher lokaler Wählervereinigungen zählen kann.

Für die rechtskonservativen Republikaner um Parteichef Rolf Schlierer scheint das finanziell nötige halbe Prozent auf Bundesebene wenig realistisch, haben sie die erforderlichen Unterstützungsunterschriften doch nur in elf von 16 Bundesländern erreicht. Zudem beklagt die Partei zahlreiche Sabotageaktionen und Behinderungen im Wahlkampf. Alleine in Bayern seien in den vergangenen Wochen 6.000 Plakate zerstört worden, im gesamten Bundesgebiet seien es mehr als 20.000 gewesen, teilte der bayerische Landeschef und stellvertretende Bundesvorsitzende Johann Gärtner mit. Inhaltlich versuchen sich die Republikaner als „demokratische Rechte mit sozialem Bewußtsein“ in Szene zu setzen. Der Schwerpunkt ihrer Aktivitäten im Wahlkampf liegt dabei neben Bayern auf Baden-Württemberg, Teilen von Rheinland-Pfalz und Hessen. Für Aufregung sorgte Anfang der Woche ein Wahlwerbespot der Partei, der den Republikanern den Vorwurf einbrachte, sie hätten die Komparsen über den Charakter des Films im unklaren gelassen. Die Partei wies die Anschuldigungen umgehend zurück.

Mit einer „Deutschland-Tour“ versuchte derweil die NPD die Schweigespirale zu durchbrechen. In 92 Städten und Gemeinden will die Partei noch bis zum 22. September um Stimmen werben, doch das Unterfangen gestaltet sich schwierig. Fast überall muß sich die Partei mit Protestaktionen auseinandersetzen, stets muß der Kundgebungswagen von einem massiven Polizeiaufgebot geschützt worden. Große Bevölkerungskreise erreicht die Partei damit nicht, ihre Redner sprechen meist vor nicht mehr als zwei Dutzend Anhängern.

Auffallend am NPD-Wahlkampf ist das große Engagement in den Hochburgen Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, wo die Partei jeweils in den Landesparlamenten vertreten ist. Vor allem im Freistaat ist das Engagement enorm, offenbar sieht die NPD den diesjährigen Wahlkampf als Testphase für den angestrebten Wiedereinzug in den Sächsischen Landtag im kommenden Jahr. Um Aufmerksamkeit zu erlangen, ist der Partei so ziemlich jedes Mittel recht. Dabei sorgten vor allem ein umstrittenes Wahlplakat mit dem Motto „Mehr Geld für die Oma, statt für Sinti und Roma“ sowie eine Aktion, bei der die Nachwuchsorganisation Kondome an „Ausländer und ausgewählte Deutsche“ schickte, für Wirbel. Im hessischen Bad Hersfeld wurde die Stadt gerichtlich verpflichtet, die von ihr beanstandeten Plakate wieder aufzuhängen. Aufgrund ihrer Verankerung in den mitteldeutschen Ländern sollte die NPD keine Probleme haben, die Wahlkampfkostenerstattung zu erreichen.

Ob dies dagegen der rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pro Deutschland gelingen wird, darf bezweifelt werden. Die Kleinstpartei um Manfred Rouhs tritt zwar in 13 von 16 Ländern an, schaffte es aber trotz einer bundesweiten Kundgebungstour bisher nicht, in die Schlagzeilen zu kommen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen