© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/13 / 20. September 2013

Thorsten Schäfer-Gümbel könnte am Sonntag strahlender Wahlsieger werden
Der brave Soldat
Tobias Westphal

Thorsten Schäfer-Gümbel erinnert die Zuhörer bei jeder Wahlkampfrede daran, wie viele Tage und Stunden es noch dauert, bis die Wahllokale schließen. In Hessen bleibt es spannend bis zum Schluß (siehe Bericht Seite 7); am 22. September findet dort neben der Bundestags- auch die Landtagswahl statt.

Seinen politischen Durchbruch verdankt der hessische SPD-Landesparteichef, Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidat einem Wortbruch – allerdings, dem seiner Vorgängerin Andrea Ypsilanti. Die hatte nach ihrem Wahlsieg 2008 versucht, eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung durch Die Linke zu bilden, obwohl Ypsilanti deren Beteiligung vor der Wahl ausgeschlossen hatte. Daraufhin versagten ihr vier SPD-Abgeordnete die Gefolgschaft.

So kam es 2009 zu Neuwahlen, und „TSG“ – mit diesem Kürzel vermarkten ihn seine Wahlkämpfer – wurde von den hessischen Sozialdemokraten als neuer Spitzenkandidat in einen aussichtslosen Wahlkampf geschickt. Damals ergossen sich Spott und Häme über ihn. Die Medien kritisierten sein Äußeres, seine dicken Brillengläser und sogar, daß er den Namen seiner Frau angenommen hat. Um so überraschter war man, festzustellen, daß der 1969 im Allgäu geborene, aber in Gießen aufgewachsene Politikwissenschaftler „in geraden Sätzen“ reden könne. Dennoch holte er mit 23,7 Prozent das schlechteste Ergebnis der SPD im einst „roten Hessen“. Bundesweit schauten die Genossen mitleidig auf den braven Parteisoldaten.

Mitleid hat Schäfer-Gümbel heute nicht mehr nötig. Die Genossen haben Respekt vor seiner Leistung; in den vergangenen Jahren hat er die Hessen-SPD geeint. Parteiinterne Flügelkämpfe sind Vergangenheit, zumindest öffentlich wird nichts mehr ausgetragen. Obwohl Parteilinker, pflegt TSG einen konservativen Führungsstil; er erwartet, daß man sich an feste Regeln hält. Das hat er wohl bei seinem Vater, einem Zeitsoldaten, gelernt.

Im Wahlkampf setzt er natürlich auf das Thema soziale Gerechtigkeit; Mindestlohn, Ganztagsschulen und Steuergerechtigkeit sind seine Schwerpunkte. Zur Mobilisierung der Bürger hat er eine Untschriftenaktion „gegen Steuerhinterziehung“ gestartet. Da die SPD auf die Kampagne „Null-Toleranz für Steuerbetrug“ setzt, war es nötig, daß der bekennende Bayern-München-Fan seine Vereinsmitgliedschaft aufkündigt, nachdem er von Uli Hoeneß Steueraffäre erfahren hatte.

Thorsten Schäfer-Gümbel ist inzwischen ebenso bekannt wie der Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), beide treten sogar im Gießener Wahlkreis II direkt gegeneinander an. Ein Regierungswechsel in Hessen ist nicht ausgeschlossen, manch einer rechnet sogar fest damit. Auf die Frage, ob er sich von der Partei Die Linke zum Ministerpräsidenten wählen lassen würde, antwortet TSG ausweichend: „Es reicht für Rot-Grün.“

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