© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/13 / 20. September 2013

Homöopathie / Reine Glaubenssache
Fragwürdige Behandlung mit Scheinmedikamenten
Hans-Bernhard Wuermeling

Der Ausdruck „Homophobie“ wurde erfunden, um damit Menschen, die politisch-propagandistische Aufwertung der Homosexualität ablehnen, negativ zu kennzeichnen, nämlich als menschenscheu und menschenverachtend. Denn mit dem Wortteil „homo“ wird vielfach und fälschlich der lateinische Ausdruck für „Mensch“ assoziiert. Das mag so nicht gewollt gewesen sein, ist aber so.

Umgekehrt geht es bei der Homöopathie zu. Auch hier wird man mit dem Wortteil „Hom“ gerne und fälschlich an den lateinischen Ausdruck für „Mensch“ denken und meinen, daß die Homöopathie eine menschengerechte Medizin und eine menschlichere Krankenbehandlung sei. Der Wortteil „Homöo“ stammt aber aus dem Griechischen und steht für Gleiches oder Ähnliches.

Damit ist schon ein Wesenszug der Homöopathie benannt, denn es geht dabei darum, Gleiches mit Gleichem, Ähnliches mit Ähnlichem zu behandeln (Similia similibus curentur). Dem liegt folgendes Denkschema zugrunde: Die Kohlenoxidvergiftung macht Atemnot, also wird Kohlenoxid zur Behandlung von Atemnot eingesetzt (Prokop).

Atemnot ist aber ein Symptom von vielerlei Erkrankungen, etwa von Blutarmut, Herzinfarkt, Asthma oder Lungenentzündung. Doch ist es Prinzip der Homöopathie, die Krankheiten statt von der Ursache her von ihren Symptomen her kurieren zu wollen.

Schließlich bedient sich die Homöopathie zumeist maximal verdünnter Substanzen, von denen geglaubt wird, daß die heilsame Wirkung durch Verdünnungen potenziert wird. Diese gehen teilweise so weit, daß in der Verdünnung schließlich kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz mehr vorhanden sein kann. Das läßt sich aus der Loschmidtschen Zahl herleiten, die angibt, wieviel Moleküle einer bestimmten Substanz in einem Mol (ihrem Molekulargewicht in Gramm) enthalten sind. Da unter diesen Umständen eine Substanzwirkung nicht mehr zu erwarten ist, behilft man sich mit spekulativen Erklärungen, etwa der Wirkung manuellen Schüttelns bei der Verdünnung oder dem „Echo“ der Substanz in der Verdünnungsflüssigkeit.

Angesichts solch wissenschaftlichen Unsinns wäre zu erwarten, daß Homöopathie wirkungslos wäre. Doch glauben viele Menschen an solche Wirkungen und können oft schlagende Beispiele dafür anführen. Das gilt allerdings auch für Horoskope ebenso wie für „alternative“ Heilmethoden, insbesondere aber auch für die oft verblüffend erfolgreiche Behandlung mit Scheinmedikamenten (Placebos), bei der der Arzt mit seiner Zuwendung die wirksame Arznei ist und die Erwartungshaltung seines Patienten optimal trifft. Das gilt besonders auch für die klassische Homöopathie, in der vom Arzt eine besonders sorgfältige Erhebung der Vorgeschichte und Untersuchung des Patienten gefordert wird. Daraus folgt eine individuelle Behandlung – ähnlich wie die ja auch neuerdings in der Schulmedizin beachtete personalisierte Medizin, diese allerdings auf wissenschaftlicher Grundlage (genetische Individualität).

Was soll man aber nun tun angesichts der Tatsache, daß es sich bei der Homöopathie einerseits um wissenschaftlichen Unsinn handelt, andererseits aber in unserem Kulturraum eine beachtliche Mehrheit der Menschen solchem Unsinn Glauben schenkt und ernsthaft danach verlangt? Schön wäre es, wenn die Ärzte dem kranken Menschen mehr Beachtung als den Krankheiten schenken würden, und wenn die Patienten die technische Zuwendung in der modernen Medizin vertrauensvoll als mittelbare menschliche Zuwendung verstehen lernten. Aber damit sind die praktischen Probleme heute nicht zu lösen.

In der Schweiz hat man einen großzügigen Versuch unternommen. Über mehrere Jahre haben die öffentlichen Krankenkassen die Behandlung mit Komplementärmedizin, unter anderem auch Homöopathie, bezahlt und wissenschaftlich begleitet. Die Auswertung des Versuchs ergab, daß solche Methoden sich als wirkungslos erwiesen. Ihre Honorierung durch die Kassen wurde deswegen eingestellt. Doch machten die Regierenden die Rechnung ohne den Wirt, nämlich das souveräne Volk. Dieses verlangte – und erreichte – mit einem Volksbegehren, daß die Methoden der „Komplementärmedizin“, also auch Homöopathie, als Regelleistungen der Kassen in der schweizerischen Bundesverfassung festgeschrieben wurden.

Doch hat schließlich auch das Schweizervolk die Rechnung ohne den Wirt gemacht, nämlich ohne seine Juristen, die befanden, daß nach dem Volkswillen zwar die Komplementärmedizin nicht als solche von den Kassen ausgeschlossen werden dürfe, sondern gesetzlich durchaus zulässig sei, sofern ihre Wirksamkeit nachgewiesen sei, aber eben auch nur dann.

Fazit: Zwar kann und darf man die Homöopathie nicht verbieten. Wer an sie glaubt und sie betreibt – und damit anderen nicht schadet –, mag das tun. Aber eben nicht mit öffentlichen Mitteln zu Lasten der Beitrags- und Steuerzahler. Denn schließlich kann man sich zusätzlich so versichern, daß auch homöopathische Kuren bezahlt werden. Wem es das wert ist, der muß dann dafür auch berappen.

 

Prof. Dr. Hans-Bernhard Wuermeling war Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der Bundes­ärzte­kammer und bis zu seiner Emeritierung Lehrstuhlinhaber für Rechtsmedizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 2012 erhielt er die Paracelsus-Medaille, die höchste Auszeichnung der deutschen Ärzteschaft. Derzeit leitet er die Programmkommission der Katholischen Ärztearbeit Deutschlands.

 

Behandlungsmethode Homöopathie

„Ähnliches soll durch Ähnliches geheilt werden“, diesen Therapieansatz der Homöopathie formulierte 1796 der aus Meißen stammende Arzt Samuel Hahnemann. Seither werden vor allem von Heilpraktikern homöopathische Behandlungsmethoden und Arzneien wie Dilution oder Globuli angewandt. Doch auch Fachärzte bieten Homöopathie an, denn die Nachfrage nach sanften Naturheilmethoden ist besonders in Deutschland traditionell groß. Schulmediziner absolvieren dafür eine Weiterbildung als Homöopath, die von der Ärztekammer zertifiziert wird.

Dachverband der Heilpraktikerverbände: www.ddh-online.de

Zentralverein homöopathischer Ärzte: www.dzvhae.de

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